Wahl im Irak:Schwach auf der Brust

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Das knappe Wahlergebnis zeigt: So einigermaßen funktioniert die junge Demokratie im Irak. Doch sie leidet unter ein paar üblen Krankheiten.

Tomas Avenarius, Kairo

Der Noch-Machthaber gibt den schlechten Verlierer: Der irakische Regierungschef Nuri al-Maliki nörgelt vor Fernsehkameras am Ergebnis der Parlamentswahl herum, will es vor Gericht in Frage stellen. Schwer zu sagen, ob er dafür handfeste Beweise hat.

Fakt ist, dass die Abstimmung vom 7. März äußerst knapp ausgefallen ist: Gegen Maliki und zu Gunsten seines Herausforderers Ijad Allawi. Wäre in den Hinterzimmern der Wahlkommission wirklich im großen Stil manipuliert worden bei der Auszählung der Stimmen, hätten die Fälscher wohl eindeutigere Machtverhältnisse geschaffen als eine Mehrheit von nur zwei Sitzen für ihren Sieger.

So bleibt der erste Eindruck, dass die zweite Parlamentswahl seit dem Sturz der Saddam-Diktatur die Stimmung widerspiegelt: Die Iraker haben genug von den schiitischen Islamisten-Politikern, die mit der Religion Staat machen wollen.

Die irakische Demokratie funktioniert einigermaßen

Sie suchen einen durchsetzungsfähigen Regierungschef, der ihnen Sicherheit garantiert vor Selbstmordattentätern und Autobomben. Und sie setzen auf einen sich weltlich gebenden Mann, der die verfeindeten Volksgruppen unter seiner Führung wieder vereinigt: Der Wahlsieger Allawi ist selbst Schiit, aber gewählt haben ihn offenbar vor allem Sunniten.

Bei genauerem Hinsehen sind die Verhältnisse komplizierter. Erkennbar ist, dass die Iraker auch diesmal entlang ihrer Glaubens- oder Volkszugehörigkeit gewählt haben. Ein Teil der Schiiten hat die noch immer starke Islamisten-Allianz mit ihren Turban-Politikern gewählt. Der andere Teil stimmte für den Schiiten Maliki. Insgesamt haben sie alle aber "schiitisch gewählt".

Die Kurden, bis ins Mark kurdisch-nationalistisch, haben ihr Kreuz wie zu erwarten geschlossen bei den Kurdenparteien gemacht. Und der säkulare Wahlsieger Allawi? Ist er wirklich der Mann, der alle irakischen Volksgruppen repräsentiert? Mitnichten.

Der Wahlsieger hat vor allem die Stimmen der Sunniten bekommen. Die sind Dank eigenen Verschuldens in den letzten Jahren politisch heimatlos geworden. Da sie keinen eigenen Mann in vorderster Wahlfront hatten, haben sie jetzt den Säkularisten Allawi unterstützt.

Die zweite Parlamentswahl seit dem Sturz des Diktators Saddam Hussein hat gezeigt: Die Demokratie im Irak funktioniert so einigermaßen.

Aber die üblen irakischen Krankheiten kann sie bisher nicht überwinden: Die ethnisch-religiöse Zersplitterung zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden. Die starke Personalisierung von Politik hin zum Ideal eines "Mannes der harten Hand". Und die klassisch-nahöstliche Eselei, hinter jedem nicht ins eigene Weltbild passenden Ereignis sofort eine Verschwörung dunkler Mächte zu vermuten.

Das zeigt: Auch im Irak lebt Demokratie nicht allein vom Wahlakt. Sie bedarf einer sich erst im Lauf der Jahrzehnte ausbildenden politischen Kultur. Die anstehende Regierungsbildung wird zeigen, wie viel von dieser demokratischen Substanz im Nach-Saddam-Irak bereits vorhanden ist.

Da keines der Parteienbündnisse genug Stimmen für eine Alleinregierung bekommen hat, müssen sich die Gruppen nun zusammen raufen und ein arbeitsfähiges Kabinett bilden - unter der Führung Allawis, Malikis oder irgend eines anderen Politikers. Das ist die nächste Bewährungsprobe für die noch immer schwachbrüstige Demokratie im Irak.

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