Vor Massenprotesten in Russland:Polizei durchsucht Wohnungen von Oppositionellen

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Aufruhr unter russischen Regierungsgegnern: Am Tag vor den geplanten Massenprotesten gegen Präsident Putin erhöht der Staat den Druck auf die Opposition. Nach der massiven Einschränkung des Demonstrationsrechts wurden nun mehrere Wohnungen von prominenten Putin-Gegnern durchsucht. Bürgerrechtler werfen den Behörden Einschüchterungsversuche vor.

Zehntausende Menschen werden erwartet, wenn die Opposition in Russland morgen auf die Straße geht. 50.000 sollen es allein in Moskau sein. Bereits am Tag vor den geplanten Protesten sorgt die russische Polizei für Aufruhr unter Regierungsgegnern.

Denn vor den Demonstrationen hat die russische Polizei am Montag die Wohnungen führender Oppositionspolitiker durchsucht. Zehn Räumlichkeiten nahmen die Sicherheitskräfte dabei ins Visier.

Betroffen sollen unter anderem die prominenten Regierungsgegner Alexej Nawalny, Sergej Udalzow und Ilja Jaschin sein. Der bekannte Bürgerrechtler Lew Ponomarjow sprach von Einschüchterungsversuchen. "Sie wollen die radikaleren Regierungsgegner verärgern und die Leute provozieren", sagte er. Dadurch solle die friedliche Aktion außer Kontrolle geraten. Bereits am Sonntag hatte die Polizei mehrere Regierungsgegner festgenommen, die zu Krawallen und zu Gewalt gegen Staatsvertreter aufgerufen haben sollen.

Der Sprecher der obersten Ermittlungsbehörde, Wladimir Markin, erklärte der Agentur Interfax, die Polizeiaktion stehe im Zusammenhang mit Gewalt gegen Sicherheitskräfte und der Anstiftung zu Massenunruhen während einer Anti-Putin-Demonstration am 6. Mai, bei der es Dutzende Verletzte und Hunderte Festnahmen gegeben hatte.

Verschärfung des Demonstrationsrecht

Besondere Brisanz gewinnt die Aktion durch die am Freitag von Putin unterzeichnete Verschärfung des Demonstrationsrechts. Nach den Massenprotesten gegen Manipulationen bei den Wahlen von Parlament und Präsident im Winter hatte Putin ein Gesetz unterzeichnet, das drastische Strafen für die Teilnahme an Protesten vorsieht, wenn sie die öffentliche Sicherheit gefährden. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Verschärfung mit der Begründung verteidigt, die Opposition solle sich in Parteien organisieren.

Das Gesetz sieht Höchststrafen von 300.000 Rubel (7400 Euro) oder 200 Stunden gemeinnützige Arbeit für Privatpersonen und bis zu einer Million Rubel (24.600 Euro) für Organisationen vor. Als Verstöße gelten etwa Störungen im Straßenverkehr oder auch das Tragen von Masken.

Kritik vom Europarat und der Bundesregierung

Kritik an der Verschärfung übte im Mai unter anderem der Europarat und forderte Putin auf, das Gesetz nicht zu unterzeichnen. Die Chance für mehr Demokratie werde mit der Einschränkung des Demonstrationsrechts zunichtegemacht, erklärten die Russland-Berichterstatter der Parlamentarier-Versammlung des Europarats, Andreas Gross und György Frunda.

Auch der Russlandkoordinator der Bundesregierung, Andreas Schockenhoff (CDU), kritisierte das geplante Gesetz. "Mit der vorliegenden Gesetzesfassung werden Zweifel am Willen der neuen russischen Regierung zur weiteren Demokratisierung genährt", erklärte er. Drastisch erhöhte Geldstrafen und weitere Neuregelungen schränkten das Versammlungsrecht empfindlich ein. Kritik von Opposition und Menschenrechtsaktivisten werde ignoriert, monierte Schockenhoff.

Das neue Gesetz sei "das falsche Signal an die Bürger in Russland". "Statt Meinungsvielfalt und den Wettbewerb der Ideen zu fördern, drohen neue Einschränkungen, die wachsende Kluft zwischen Staat und Bürgern zu vergrößern", sagte Schockenhoff.

Der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, bezeichnete die Durchsuchung von Wohnungen der Regimegegner als "massenhaften Einschüchterungsversuch" von Präsident Wladimir Putin. Kein Wunder, dass sich viele an zaristische und sowjetische Zeiten erinnert fühlten.

Die Bundesregierung müsse, so Beck weiter, "jetzt ihr Schneckenhaus verlassen und endlich einmal Farbe bekennen". Sie sollte Putin klarmachen, "dass er mit seinem Politikstil die gemeinsame Wertebasis zerstört", sagte der Grünen-Politiker.

© Süddeutsche.de/reuters/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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