Verteidigungsministerium:Warum von der Leyen ihren Mitarbeitern misstraut

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Ursula von der Leyen, hier beim Antrittsbesuch in Afghanistan, stößt auf Probleme, mit denen schon Helmut Schmidt kämpfte. (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

Ministerin von der Leyen stößt im Verteidigungsministerium auf eine Kultur des Verschweigens. Nun will sie den Rüstungsbereich neu ordnen. Doch an größeren Reformen sind in ihrem Ministerium schon einige Vorgänger gescheitert.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Der Rahmenerlass zur "Neuordnung des Rüstungsbereiches" umfasst 40 Seiten, gleich zu Beginn heißt es: "Bei einer Reihe von Rüstungsprojekten der Vergangenheit waren erhebliche Verzögerungen, unangenehme Kostensteigerungen und beachtliche technische Fehlleistungen aufgetreten." Der Erlass, so heißt es weiter, verankere nun "ein im einzelnen sorgfältig abgestimmtes Managementmodell, das die gemeinsame Verantwortung von Rüstungsbereich und militärischem Bedarfsträger berücksichtigt und klarstellt".

Am Donnerstag hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Neuordnung des Rüstungsbereichs angekündigt, alles soll nun transparenter, effizienter und für den Steuerzahler günstiger werden. Der Rahmenerlass aber stammt nicht von ihr, er ist schon etwas älter: Am 28. Januar 1971 wurde er in Kraft gesetzt. Vom Verteidigungsminister Helmut Schmidt.

Die Ministerin hat einen spektakulären Coup gelandet, indem sie sich am späten Mittwochabend ihres Rüstungs-Staatssekretärs Stéphane Beemelmans und außerdem des Rüstungs-Abteilungsleiters entledigte, um am Tag danach zu verkünden, dass nun erst einmal der gesamte Beschaffungsprozess durchleuchtet werden soll.

Verkrustete Ministeriums-Strukturen

Allerdings zeigt der Blick in die Historie des Ministeriums, wie häufig schon der Versuch gescheitert ist, die verkrusteten Strukturen aufzubrechen. Im "Bericht zur Neuordnung des Rüstungsbereichs", auf dem der Schmidt'sche Rahmenerlass von 1971 beruhte, sind unter dem Punkt "Hauptmängel" aufgeführt: "Leistungsversagen des Geräts, Terminverzögerungen, vermeidbare Kostensteigerungen". Und die Ursachen? Unter anderem das "Fehlen eines wirksamen Managements".

Auf diese Ursache ließ sich allerdings, grob gesprochen, auch das Scheitern des Euro Hawk im vergangenen Jahr zurückführen, also mehr als vier Jahrzehnte später - was zeigt, wie groß die Aufgabe wirklich ist, die sich die Ministerin nun selbst gestellt hat. Am Freitag gab es zudem noch mal einen hübschen Überblick darüber, was sich an problematischen Projekten so angesammelt hat. Da veröffentlichte das Ministerium seine Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken zum Thema "Kostenentwicklung bei Großwaffensystemen".

Die Anfrage hatte in den vergangenen Wochen einige Nervosität bei von der Leyen und ihren Leuten entstehen lassen: Sie fürchteten, aus dem Haus mit geschönten Zahlen versorgt zu werden - also möglicherweise irgendwann dem Vorwurf ausgesetzt zu sein, das Parlament nicht korrekt informiert zu haben. Im Bemühen, die Anfrage korrekt beantworten zu lassen, stieß von der Leyen laut Darstellung ihrer Leute auf immer mehr Ungereimtheiten und vor allem auf jene im Ministerium etablierte Haltung, bloß nicht die volle Wahrheit über das Ausmaß der Probleme offenzulegen.

Der Antwort auf die Anfrage hat das Ministerium nun auch den Hinweis vorangestellt, dass die Angaben "zu den einzelnen Großwaffensystemen den jeweils aktuellen Kenntnisstand der Abteilung Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung" enthielten - also jener Abteilung, deren Leiter von der Leyen gefeuert hat. Übersetzung: Wir können für nichts garantieren.

Dennoch ist die Antwort lehrreich, was die strukturellen Schwierigkeiten angeht, mit denen sich von der Leyen nun auseinandersetzen muss. So wurde der erste vollwertige Kampfhubschrauber Tiger mit einer Verspätung von siebeneinhalb Jahren ausgeliefert. Das war am 30. Juli 2010, doch das Vorhaben geht bis ins Jahr 1987 zurück. Damals gab es die erste Vorlage aus dem Finanzministerium für die Entwicklung des "Panzerabwehrhubschraubers 2". Der erste Transporthubschrauber NH 90 wiederum wurde im November 2013 mit beinahe zehn Jahren Verspätung geliefert. Da nehmen sich die derzeit erwarteten Verzögerungen bei den Fregatten des Typs F125 beinahe harmlos aus: Laut Ministerium "ist davon auszugehen, dass die vier Fregatten jeweils acht Monate verspätet abgeliefert werden".

"Vom Kopf auf die Füße stellen"

Auch was die Kostenentwicklung angeht, ist die Antwort aufschlussreich. So erhöhte sich der Preis für 350 Schützenpanzer Puma wegen einer Reduzierung der Bestellung und technischer Nachbesserungen von 6,5 auf 9,9 Millionen Euro pro Stück. Bereits von der Leyens Vorgänger Thomas de Maizière hatte recht offen über die Mängel an dem Fahrzeug geredet.

Der Linken-Verteidigungspolitiker Alexander Neu resümiert: "Ministerin von der Leyen wird das Verteidigungsministerium vollständig vom Kopf auf die Füße stellen müssen, um nicht selbst über einen Rüstungsskandal ins Stolpern zu geraten." Sein Parteifreund Michael Leutert meint jedoch: "Die ersten Maßnahmen und Ankündigungen der Ministerin weisen in die richtige Richtung." Der Grünen-Haushälter Tobias Lindner sagt: "Man wird nun kritisch schauen müssen, ob das Ministerium seine Möglichkeiten, etwa bei Vertragsstrafen, in der Vergangenheit voll genutzt hat."

Der Linken-Abgeordnete Neu, der die Anfrage gestellt hatte, gab sich empört darüber, dass die Antwort des Ministeriums am Freitagmorgen fast zeitgleich an die Linke und die Medien gegangen sei: "Die Bundesregierung missachtet die Rechte der Abgeordneten." Üblich ist, dass Abgeordnete solche Antworten zunächst exklusiv für sich auswerten und nutzen können. Das Ministerium hielt dem entgegen, die Linke habe die Antwort am Donnerstagabend erhalten. Neu beharrte darauf, sie erst am Freitag bekommen zu haben.

© SZ vom 22.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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