Verfassungsreform:Europarat-Kommission sieht Polens Demokratie in Gefahr

Demonstration at the Prime Minister's Office

Protest gegen die Verfassungsreform in Warschau

(Foto: dpa)

Von Florian Hassel, Warschau

Die Venedig-Kommission des Europarates hat sich in Polens Verfassungskrise auf die Seite des von der Regierung angegriffenen Verfassungsgerichtes gestellt. So lange das "Verfassungsgericht seine Arbeit nicht effektiv ausüben kann, ist nicht nur die Herrschaft des Gesetzes in Gefahr, sondern auch Demokratie und Menschenrechte". Die aus europäischen Verfassungsexperten bestehende Kommission forderte die polnische Regierung in einer am Freitag beschlossenen "Meinung" auf, "eine Lösung auf Basis des Rechts zu finden und dabei die Urteile des Verfassungsgerichtes zu respektieren" (hier als PDF).

Im Klartext: Polens Präsident soll drei noch von der alten Parlamentsmehrheit rechtmäßig gewählte Verfassungsrichter vereidigen. Dies verweigert Präsident Andrzej Duda aber trotz eines Urteils der Verfassungsrichter vom Dezember 2015.

Der Venedig-Kommission zufolge muss das von der nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (Pis) mit absoluter Mehrheit kontrollierte Parlament zudem ein Gesetz zur Beschränkung der Vollmachten der Verfassungsrichter aufheben, das das Verfassungsgericht am 9. März für verfassungswidrig erklärte. Anders als von Polens Regierung dargestellt, habe das Verfassungsgericht das Recht gehabt, über das Ende Dezember 2015 beschlossene Gesetz zu urteilen, ohne sich an die dort eingeführten Änderungen zu halten, so die Venedig-Kommission.

Die gewollten Änderungen - etwa eine Mindestbesetzung von 13 Richtern oder die Fällung von Urteilen nur noch mit mindestens zwei Dritteln aller Richterstimmen - hätten das Verfassungsgericht "uneffektiv gemacht" und "nicht nur die Herrschaft des Rechts gefährdet, sondern auch das Funktionieren des demokratischen Systems".

Die polnische Regierung will das Urteil der Verfassungsrichter vom 9. März ebenso wie folgende Urteile nicht veröffentlichen. Die Venedig-Kommission stellte fest, "ein solcher beispielloser Schritt" werde die Verfassungskrise in Polen weiter vertiefen. "Die Veröffentlichung des Urteils und seine Befolgung durch die Regierenden sind eine Voraussetzung für einen Weg aus der Verfassungskrise."

Außenminister Witold Waszczykowski erklärte, die Regierung werde die von ihr selbst im Dezember 2015 bestellte Expertise der Venedig-Kommission "bestreiten".

Diese Expertise und das weitere Vorgehen Warschaus wird auch im Rechtsstaatsverfahren der Europäischen Kommission gegen Polen wichtig. Das nächste Mal will die Kommission zu Polen im April beraten, so ein EU-Sprecher in Brüssel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: