USA und Nahost:"Wir brauchen hier Zwang"

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Die Israel-Reise von Clinton läutet die Bemühungen der Obama-Regierung um Frieden in Nahost ein. Doch nur mit Engagement wird nichts erreicht, glaubt Nahost-Expertin Margret Johannsen.

G. Babayigit

sueddeutsche.de: Mit der Geberkonferenz in Scharm el-Scheich und der Reise Hillary Clintons nach Israel ist wieder Bewegung in die Diplomatie in Nahost gekommen ...

Außenministerin Hillary Clinton in Israel: Um im Friedensprozess etwas zu bewegen, muss Amerika Zwang anwenden, glaubt Margret Johannsen. (Foto: Foto: getty)

Margret Johannsen: Ja, wenn man irgendwohin fliegt, ist das eine Bewegung.

sueddeutsche.de: Würden Sie also sagen, dass die Reise der US-Außenministerin nicht wirklich Früchte trägt?

Johannsen: Clinton ist sechs Wochen nach Amtsantritt nach Israel gereist und hat Interesse signalisiert. Das bedeutet aber noch gar nichts. Ihre Amtsvorgängerin Condoleezza Rice war ständig in der Region unterwegs - und hat fast nichts auf den Weg gebracht.

sueddeutsche.de: Präsident Barack Obama hat sehr schnell nach seinem Amtsantritt angekündigt, sich stark im Nahost-Friedensprozess engagieren zu wollen. Wie sind die Aussichten, dass ihm gelingen wird, was bisher jedem anderen Präsidenten nicht gelungen ist?

Johannsen: Für die Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes ist sehr viel politisches Kapital nötig. Das Wort Engagement ist hier fehl am Platz. Hier brauchen wir Zwang. Die Amerikaner sind die Einzigen, die erheblichen Druck auf die Konfliktparteien ausüben können - insbesondere auf Israel, das die Konzessionen machen, das heißt besetztes Land wieder hergeben muss. Die Palästinenser wollen seit Jahrzehnten immer das Gleiche: einen eigenen Staat. Daher ist Druck auf Israel auszuüben. Damit meine ich nicht nur Worte, sondern Maßnahmen, die Israel weh tun.

sueddeutsche.de: Was könnten das für Maßnahmen sein?

Johannsen: Natürlich darf Amerika nicht die freundschaftlichen Beziehungen zu Israel aufgeben. Aber es könnte die finanzielle Hilfe einstellen, keine Kreditbürgschaften mehr geben. Amerika muss Israel, zu dem die Freundschaft weit über Dollarnoten hinausgeht, endlich zur Vernunft kommen lassen. Das ist in der Vergangenheit nicht geschehen.

sueddeutsche.de: Wird es unter Obama geschehen?

Johannsen: Dieser sehr energische junge Präsident ist willens, keine Frage. Aber ich traue ihm nicht zu, dass er so mit Israel umgehen kann. Vor der amerikanischen Israel-Lobby hat er im Wahlkampf die Unteilbarkeit Jerusalems unterstrichen. Er hat sich festgelegt, doch eine Teilung wäre erforderlich, um den Konflikt mit Hilfe der Zwei-Staaten-Lösung zu beenden. Obama hat so eine monströse Agenda. Das politische Kapital, das er braucht, um mit der starken Lobby fertig zu werden, hat er nicht - oder besser: Er braucht es woanders. Ich glaube nicht, dass er es schafft. Und daher glaube ich, dass der Konflikt weitergehen wird - gelegentliche Gewaltausbrüche inklusive.

sueddeutsche.de: Clinton trifft nach ihrem Israel-Besuch auch noch Machmud Abbas, den palästinensischen Präsidenten. Die Hamas, die in Gaza das Sagen hat, wird weiterhin ignoriert. Ist das der richtige Weg?

Johannsen: Schon bei der Geberkonferenz in Scharm el-Scheich wurde das Gleiche wie seit drei Jahren gemacht, nämlich ein schwerer Fehler. Die Hamas hat 2006 die palästinensischen Parlamentswahlen gewonnen. Das waren demokratische Wahlen, bei denen Waffen keine Rolle spielten. Ob die Hamas einem bequem ist oder nicht, spielt keine Rolle. Die Hamas hat Israel bislang nicht anerkannt, das stimmt. Aber irgendwann, wenn es zu einer Zwei-Staaten-Lösung kommen sollte, wird auch die Hamas Israel in irgendeiner Form anerkennen. Bis dahin wird man mit ihr so umgehen müssen, dass ihre Fähigkeit zur weiteren Umwandlung zu einer politischen Organisation nicht beschädigt wird. Beim Krieg im Gaza-Streifen wurden jene Strömungen innerhalb der Hamas, die das vorantreiben wollten, stark geschwächt.

sueddeutsche.de: Also muss mit der Hamas gesprochen werden?

Johannsen: Ja. 2004 hat sie sich konkret dazu entschlossen, sich zu einer politischen Partei zu entwickeln. Man muss ihr das ermöglichen. Bislang wurde nur das militante Element der Hamas gereizt. Man hat versucht, sie zu boykottieren, sie von Finanzhilfen abzuschneiden, sie im Krieg von der Macht zu bomben. Jetzt versucht man schon wieder, die Aufbauarbeit im Gaza-Streifen an der Hamas vorbei zu organisieren. Die Begünstigung der Fatah, die auch ein Grund für den "Bruderkrieg" unter der Palästinensern war, muss aufhören. Auch die Bevölkerung, in der es viele Hamas-Unterstützer gibt, muss sehen, dass die Organisation in die Aufbauhilfe im Gaza-Streifen eingebunden wird.

sueddeutsche.de: Die USA wollen mit Syrien sprechen und wollen auch mit Iran diplomatische Beziehungen aufbauen. Kann man davon ausgehen, dass die Amerikaner unter dem neuen Präsidenten bald auch mit Hamas-Leuten sprechen werden?

Johannsen: Syrien und Iran sind die Schauplätze, wo sich Clinton wohl am meisten tummeln wird. Trotzdem kann man davon ausgehen, dass die Amerikaner irgendwann auch mit Hamas sprechen werden. George Mitchell ist ein sehr fähiger Vermittler, wie er in Nordirland bewies. Er hat verstanden, dass man einen Konflikt nur dann lösen kann, wenn beide Seiten einsehen, dass ein Sieg nicht möglich ist. Sowohl Hamas als auch Israel müssen das verstehen. Das Problem liegt darin, dass mit der jetzigen Situation beide Parteien leben können. Die Hamas kann als Guerilla-Organisation weiterbestehen - und hat sogar den Gaza-Krieg überstanden. Und für Israel sind die Raketenangriffe auch nicht staatsgefährdend.

Margret Johannsen ist Nahost-Expertin und Senior Research Fellow am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg.

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