USA:Harriet Tubman: 20 Dollar für ein uneingelöstes Versprechen

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Harriet Tubman wird künftig die Vorderseite des 20-Dollar-Scheins zieren. Das Bild stammt aus der Zeit zwischen 1860 und 1875. (Foto: H.B. Lindsley/AP; AP)
  • Harriet Tubman kommt auf den 20-Dollar-Schein (aber erst weit nach 2020).
  • Wer sie war, warum sie ausgewählt wurde, weshalb ein bekanntes Dollarnoten-Gesicht verschont wurde.
  • Was die Entscheidung über die Rassen- und Geschlechter-Gleichberechtigung in den USA sagt.

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Die Vereinigten Staaten wollen ihr neues Gesicht zeigen: US-Präsident Andrew Jackson verschwindet von der Vorderseite des 20-Dollar-Scheins, Harriet Tubman ersetzt ihn.

Jackson war erfolgreicher General, Sklavenhalter und Indianer-Hasser. Seine Befehle sorgten von 1830 an für die systematische Zwangsumsiedlung und Tötung Tausender Ureinwohner. Er wird künftig nur noch als Statue auf der Rückseite des Zwanzigers zu sehen sein.

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Harriet Tubman war Afroamerikanerin und floh 1849 aus der Sklaverei. In den folgenden Jahren half sie mehr als 120 Sklaven in die Freiheit und begleitete sie als Teil des informellen Befreiungsnetzwerks "Underground Railroad" von Süden nach Norden. Im Bürgerkrieg half sie als Krankenschwester den Unionstruppen und war in Spionagemissionen hinter den Linien der Konföderierten unterwegs. Nach Ende des Sezessionskriegs setzte sich bis zu ihrem Tod 1913 für die Gleichberechtigung der schwarzen Bevölkerung ein. "General Tubman", wie sie respektvoll genannt wurde, erhielt ein militärisches Ehrenbegräbnis.

Ein Musical spielt eine Rolle

"Sie widmete ihr Leben der Freiheit", heißt es in der Begründung des US-Finanzministeriums. 2020, wenn der endgütlige Entwurf der neuen Note vorgestellt wird, jährt sich auch die Einführung des Frauenwahlrechts in den Vereinigten Staaten zum hundertsten Mal. Tubman ist nach Pocahontas (in den 1860ern) und George Washingtons Frau Martha (Ende des 19. Jahrhunderts) erst die dritte Frau auf einem amerikanischen Geldschein. In den Geldbeuteln landet der Schein irgendwann vor 2030 (falls Bargeld dann noch existiert).

Eigentlich wollte das Finanzministerium die 10-Dollar-Note verändern, auf der Alexander Hamilton zu sehen ist, erster Finanzminister des Landes. Doch Jackson ist die deutlich umstrittenere Figur, außerdem sorgte ein Broadway-Musical über Hamiltons Leben dafür, dass der Mit-Gründervater plötzlich wieder äußerst populär ist.

Tubmans neuer Platz ist auch das Verdienst der Bewegung "Women on $20s", die mit einer Online-Petition für eine Frau auf dem Zwanziger geworben hatte und Hunderttausende Unterschriften sammeln konnte; in einer Internet-Abstimmung hatte Tubman dort die meisten Stimmen unter 15 Kandidatinnen erhalten.

Finanzminister Jack Lew hat das Thema Gleichberechtigung auch auf andere Noten-Entwürfe platziert: Mit den Sufragetten Lucretia Mott, Sojourner Truth, Susan B. Anthony, Elizabeth Cady Stanton und Alice Paul sind künftig Kämpferinnen für das Frauen-Wahlrecht auf der Rückseite des 10-Dollar-Scheines zu sehen. Die Kehrseite des Fünf-Dollar-Scheines steht mit Martin Luther King, der schwarzen Opernsängerin (und Bürgerrechtlerin) Marian Anderson und der für Schwarzen-Rechte eintretenden First Lady Eleanor Roosevelt im Zeichen der Rassen-Gleichberechtigung.

Doch was sagt die neue Symbolik wirklich über den Stand der Dinge aus? Kaum jemand würde daran zweifeln, dass die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in den USA sehr weit fortgeschritten ist und sich militante Abtreibungsgegner, offener Sexismus und ungleiche Bezahlung mittelfristig auf dem Rückzug befinden.

Anders fällt das Urteil über die Rassen-Beziehungen aus: Umfragen zufolge ist die Mehrheit der US-Bürger der Meinung, dass sich das Verhältnis zwischen Schwarz und Weiß in letzter Zeit verschlechtert habe. Die dokumentierten Fälle von Polizeigewalt gegen afroamerikanische US-Bürger haben den oberflächlichen Konsens des "es wird langsam besser" als bequemen Verdrängungsmechanismus der Mehrheitsgesellschaft entlarvt.

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Die Proteste der #BlackLivesMatter-Bewegung und die messerscharfen Analysen des schwarzen Journalisten Ta-Nehisi Coates haben den strukturellen Rassismus in den USA wieder zum Thema gemacht. Wie soll es eine Versöhnung zwischen Schwarz und Weiß geben, wenn der Wohlstand des Landes auf der Baumwoll-Sklaverei fußt und das schwarze Amerika weiterhin mehrheitlich jenen Bevölkerungsteil stellt, dessen Armut geschäftsmäßig ausgenutzt wird und sich so immer wieder verstärkt?

Kleine Fortschritte, wenig Bewältigung

Das Ur-Verbrechen der Sklaverei haben die USA bislang in der Tat - schon die Selbstdefinition als beste aller Nationen verhindert dies - kaum aufgearbeitet. Immerhin, es gibt Fortschritte: Eine Abschaffung harter Mindeststrafen für jene kleineren Vergehen, für die vor allem Afroamerikaner überproportional häufig verurteilt werden, wird langsam politischer Konsens - auf konservativer Seite häufig, weil die Gefängnisse ein hoher Kostenfaktor sind.

Selbst die Republikaner beginnen, Drogensucht und deren Folgen als Krankheit statt als Verbrechen zu begreifen - weil inzwischen auch das weiße Amerika darunter leidet (das dafür, anders als über Jahrzehnte das schwarze Amerika, nicht ins Gefängnis gehen soll). Die Konföderierten-Flaggen und die Statuen von Südstaaten-Generälen verschwinden von öffentlichen Plätzen des Südens - wenn auch teilweise unter heftigem Protest.

Ausgerechnet auf einer Banknote

Der neue Zwanziger lässt sich also noch nicht als Dokumentation des Erreichten, sondern als offene Wunde und Hoffnung auf Heilung interpretieren, die selbst bei idealem Verlauf auch 2030 noch nicht abgeschlossen wäre. Dass dieses Symbol ausgerechnet auf einer Geldnote Platz findet, vermittelt angesichts der verbreiteten Ungleichheit zwischen Schwarz und Weiß einen bitteren Zug: Der Besitz von Geld entscheidet wohl in keinem anderen westlichen Land so rigoros über persönliches Wohl und Wehe.

Andererseits: Die USA sind eine Nation, die sich zumindest theoretisch immer auf der Suche nach dem besten Selbst befindet. Mit der Tubman-Note wird jeder Amerikaner ständig an die Unvollkommenheit dieser Mission erinnert. Und daran, dass die entflohene Sklavin Harriet Tubman und der Sklavenhalter Andrew Jackson in der Geschichte des Landes untrennbar miteinander zusammenhängen.

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