Viele Offiziere und Soldaten aus Kansas, Ohio oder Tennessee werden die Fäuste geballt haben in den Hosentaschen, als die Jubelreden begannen und die Feuerwerkskörper krachten. Die Bagdader Regierung hat den Tag des Abzugs aller US-Truppen aus den Städten und Dörfern des Irak zum Nationalfeiertag ausgerufen.
Und das, obwohl die rund 130.000 US-Soldaten dort in den vergangenen zwei Jahren erfolgreich für Sicherheit gesorgt haben. Ebenso werden sich die Uniformierten fragen, wofür mehr als 4300 von ihnen eigentlich ihr Leben gelassen haben in Bagdad, Falludscha, Mossul oder irgendwelchen namenlosen Weilern zwischen Euphrat und Tigris.
Das Land wäre in Terror und Bürgerkrieg versunken, die Regierung von Nuri Al-Maliki ohne die Rückendeckung der US-Armee schon lange am Ende. Dennoch bejubelt eben dieser Maliki den Teilabzug als "Sieg" über die ausländischen Besatzer, klatschen und tanzen die Iraker auf den Straßen. Dankbarkeit sind in Krieg und Politik nicht zu erwarten.
Besonders, wenn man sich erinnert, dass die US-Armee nicht nur Sicherheit geschaffen hat. Sie hat seit März 2003 auch Zehntausende Iraker getötet, Tausende inhaftiert und unzählige gefoltert, das Land von Grund auf zerstört und die Pandora-Box ethnisch-religiöser Konflikte weit geöffnet. Am Ende bestätigt der nun begonnene Truppenabzug samt der peinlichen Bagdader Jubelfeier nur, was seit langem klar ist: Der Irak-Krieg war der falsche Krieg.
Militärisch ist Washingtons Streitmacht knapp um eine Niederlage in einem asymmetrischen Abnutzungskrieg herumgekommen. Politisch haben die USA ihre Ziele nicht erreicht. Der Diktator Saddam Hussein ist zwar gestürzt. Aber die neue Demokratie im Irak ist eine Fassadenveranstaltung. Politische Stabilität wird es an Euphrat und Tigris für lange Zeit nicht geben. Auch regionalpolitisch erscheint der Irak-Krieg als unverzeihlicher Fehler. Nutznießer des Sturzes des Saddam-Regimes ist Iran - ein Staat, dessen Einfluss mit der US-Invasion im Nachbarland eigentlich eingedämmt werden sollte.
Der US-Abzug aus den Städten ist nur der erste Schritt: Bis Ende 2011 sollen alle Truppen das Land verlassen haben. Gelingt dies, kann Washington nach dem missratenen Militärabenteuer im Zweistromland wenigstens den Anschein erwecken, dass seine Armee ihre Mission erfolgreich beendet hat und als Freund des irakischen Volkes abrückt - unter Hinterlassenschaft der Demokratie als Washingtoner Gastgeschenk. Glauben wird das im Irak aber kaum einer.
Über die eigene Regierung machen sich die meisten Iraker keine Illusionen. Gleichzeitig erkennen viele in den US-Soldaten inzwischen ein notwendiges Übel: zum Schutz vor innerirakischer Gewalt. Denn Bagdads Armee und Polizei werden umfassende Sicherheit eigenverantwortlich kaum garantieren können. Wenn es ihnen doch gelingen sollte, dann werden sie aller Voraussicht nach auf die altbekannten Saddam-Methoden zurückgreifen: unnötige Gewalt, Verstöße gegen alle Bürgerrechte, Folter.
Das Paradox des Irak-Kriegs ist: Er war Unrecht und eine politische Dummheit dazu. Dann aber sind die Besatzer notwendig geworden, um neues Unrecht und neue Instabilität zu verhindern. Die US-Truppen und die amerikanischen Aufbauhelfer müssten mindestens noch ein Jahrzehnt bleiben, um die notwendige Sicherheit für den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen zu schaffen und die verfeindeten ethnischen und religiösen Gruppen auseinander zu halten.
Diesen Preis will und kann Washington nicht bezahlen. Also setzen die USA nun mit dem Truppenabzug aus den Städten zum geplanten Schlussstrich an: unter ein aberwitziges militärische Abenteuer, das unnötig viele Menschenleben sowie Hunderte Milliarden Dollar gekostet hat und die Nahost-Region noch für lange Zeit belasten wird.