US-Einreise-Politik:Trump twittert sich um Kopf und Kragen

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Mit seinen jüngsten Tweets könnte US-Präsident Trump eines seiner wichtigsten politischen Projekte gefährden. (Foto: AP)
  • Trumps Einreisestopp für Muslime wird bald vor dem höchsten US-Gericht verhandelt.
  • Seine wilde Twitterei hilft da gerade vor allem seinen Gegnern.
  • Der Justizminister soll aus Frust seinen Rücktritt angeboten haben.

Von Thorsten Denkler, New York

Wer vor Gericht geht und in der Sache gewinnen will, der sagt öffentlich am besten nichts. Oder höchstens irgendetwas Unverfängliches wie: "Das Gericht wird sicher eine weise Entscheidung fällen." Auf keinen Fall ist es ratsam Gerichte zu nötigen, das Justizministerium zu beschimpfen oder den Verfahrensgegnern Argumente zu liefern, mit denen sie womöglich gewinnen können. So wie es US-Präsident Donald Trump gemacht hat. Auf Twitter, wo sonst?

Über zwei Dutzend Tweets in drei Tagen hat Trump losgelassen. Fast jeder Eintrag liest sich wie ein Wutanfall. Der Anschlag von London hat dem US-Präsidenten offenbar keine Ruhe gelassen. In seiner ersten Reaktion aber hat er kein Wort für die Opfer oder ihre Angehörigen übrig, sondern dies: "Die Gerichte müssen uns unser Recht zurückgeben", twittert er. "Wir brauchen den Travel Ban als Extraportion Sicherheit!"

Einreise-Dekret
:Trump fordert "viel härteres" Einreiseverbot

Der US-Präsident wirft seinem Justizministerium vor, ein "verwässerte, politisch korrekte Version" aus seinem ursprünglichen Dekret gemacht zu haben.

Der schon etwas in Vergessenheit geratene Travel Ban beinhaltet in seiner neuesten Fassung maximal verschärfte Einreiseregeln in die USA für Menschen aus sechs muslimisch geprägten Ländern. Eine Forderung, die kaum einen der jüngsten Anschläge in westlichen Ländern verhindert hätte. Die meisten Attentäter waren jeweils Einheimische, radikalisiert in dem Land, in dem sie lebten.

Die erste Fassung des Travel Bans ist bereits von US-Gerichten gestoppt worden. Zusammen mit den Architekten der neuen Einreisepolitik, seinem Chefstrategen Steve Bannon und Berater Stephen Miller, hatte Trump versucht, per Dekret alle Einreiseversuche aus sieben muslimischen Ländern zu unterbinden. Selbst Inhaber von Green Cards und gültigen Visa wurden nicht ins Land gelassen.

Dann setzten Gerichte das Dekret aus. Unter anderem mit Verweis darauf, dass Trump im Wahlkampf stets einen Muslim Ban versprochen hatte. Die Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe sei allerdings eher nicht mit der amerikanischen Verfassung in Einklang zu bringen, befanden die Richter.

Im Weißen Haus wurde nach der Pleite mit dem ersten Dekret zunächst die Sprachregelung geändert. Öffentlich sollte nicht mehr von einem Bann gesprochen werden. In einer legendären Pressekonferenz des Regierungssprechers Sean Spicer ist dieser Ende Januar Journalisten angegangen, die den Einreistopp so nannten. "Das ist kein Muslim Ban. Das ist kein Travel Ban", erklärte Spicer. Es gehe vielmehr um eine "extreme Überprüfung" derer, die aus diesen Ländern einreisen wollen.

Dass Trump selbst das Wort benutzt, war für Spicer damals kein Problem: "Er benutzt das Wort, das die Medien benutzen". Mit seinen jüngsten Tweets lässt Trump seinen Regierungssprecher wieder einmal ziemlich blöd dastehen.

Noch bis vor zwei Wochen war das Versprechen auf einer alten Wahlkampf-Webseite von Trump zu lesen. Dort hieß es: Trump fordere einen "kompletten Stopp der Einreise von Muslimen in die Vereinigten Staaten, solange die Repräsentanten unseres Landes nicht herausbekommen haben, was vor sich geht." Der Eintrag wurde gelöscht, nachdem Journalisten Spicer darauf angesprochen hatten.

Weil eine neue Sprachregelung offenbar nicht genügte, wurde im Justizministerium ein neues Dekret ausgearbeitet, in der Hoffnung, dass dieses gerichtsfest sein würde. In dieser Fassung sind nur noch sechs Länder von den Einreiseverschärfungen betroffen. Zwar wird auf Green Card- und Visa-Inhaber Rücksicht genommen. Aber jeder andere aus den sechs Staaten hätte praktisch null Chancen mehr, eine Einreiseerlaubnis in die USA zu bekommen. Doch auch diese Fassung haben US-Gerichte außer Kraft gesetzt, mit ganz ähnlichen Argumenten. Was für ein Etikett auch immer Trump auf dieses Dekret klebt, es bleibt doch immer der von ihm versprochene Muslim Ban.

Seitdem ist es ruhig geworden um den Travel/Muslim Ban, der beides nicht sein soll. Zuletzt haben verschiedene Berufungsgerichte die Beschwerde der US-Regierung gegen die Aussetzungs-Entscheide vorheriger Instanzen zurückgewiesen. Vergangenen Donnerstag hat das Justizministerium den Supreme Court gebeten, sich der Sache anzunehmen. Das Schreiben ist von Trump unterzeichnet.

Trump müsste Twitter-Account auf stumm schalten

Spätestens jetzt müsste US-Präsident Trump seinen Twitter-Account wenigstens in dieser Sache auf stumm schalten. Sämtliche Richter haben nämlich nicht allein auf den Text der jeweiligen Dekrete geschaut. Sondern auch auf die Intention, den Geist der Dekrete. Und der zeigt sich auch in dem, was Trump öffentlich von sich gibt.

Stattdessen holt Trump an seinem Twitter-Montag das B-Wort zurück. "Die Juristen und Gerichte können es nennen, wie immer sie es wollen, aber ich nenne es so, wie wir es brauchen und danach, was es ist," - damit es auch jeder kapiert, geht es in Großbuchstaben weiter - "einen TRAVEL BAN!" Sein Minister für Heimatschutz, John Kelly, hatte vergangene Woche noch gesagt: " Das ist kein Travel Ban, das ist eine Einreisepause."

Damit nicht genug, Trump macht auch noch das Justizministerium dafür verantwortlich, dass jetzt ein in seinen Augen völlig "verwässertes" und "politisch korrektes" Dekret gefolgt ist.

Das Justizministerium hätte besser am ersten Dekret festhalten sollen, rumpelt Trump. Er fordert sein Justizministerium sogar auf, den Supreme Court anzuhalten, den zweiten Bann maximal zu verschärfen. Was schon fast an Nötigung grenzt. Trump jedenfalls will keine Verantwortung für das aus seiner Sicht schlechtere, zweite Dekret übernehmen. Was verwundert, trägt doch auch dieses nur eine Unterschrift: seine eigene.

Trumps Justizminister wollte angeblich schon hinschmeißen

Mit Justizminister Jeff Sessions scheint Trump derzeit ohnehin über Kreuz zu liegen. Verschiedene US-Medien berichten, Sessions habe Trump nach einigen Streitereien seinen Rücktritt angeboten. Trump soll sauer sein, dass Sessions die FBI-Ermittlungen in der Russland-Affäre nicht kleinhalten kann, in der auch Trump-Leute involviert sind. Und Sessions soll frustriert sein, dass Trump mit seiner Twitterei alles immer noch schlimmer macht. Bis zum späten Dienstagabend war es offenbar nicht möglich aus dem Weißen Haus den Satz bestätigt zu bekommen, dass Sessions das Vertrauen das Präsidenten genieße.

Unterstützer einer harten Einreise-Politik müssen nun fürchten, dass Trump mit seinen unkontrollierten Tweet-Ausbrüchen einen Erfolg vor dem Supreme Court gefährdet. Kommende Woche wird erwartet, dass die Parteien in dem Rechtsstreit ihre Argumente gegenüber dem Supreme Court darlegen. Trumps jüngste Tweets dazu werden sicher Eingang in die Schreiben finden.

Neal Katyal, der als Anwalt erfolgreich gegen den Travel Ban vor einem Gericht in Hawaii vorging, schreibt auf Twitter: Es sei ein bisschen wie ein unerwartetes Geschenk, dass sich Trump, als der Erfinder des Dekrets, "aufführt wie einer unserer Co-Anwälte". Und weiter: "Wir brauchen diese Hilfe nicht, aber wir nehmen sie an!"

Auch der prominente konservative Jurist George Conway kann nicht an sich halten. Er ist der Ehemann der umstrittenen Trump-Beraterin Kellyanne Conway und war Kandidat für ein hohes Amt im Justizministerium. Er twitterte, Trumps Tweets in der Sache würden einigen vielleicht helfen, sich besser zu fühlen. Aber auf keinen Fall würden sie helfen, die nötigen fünf Stimmen im Supreme Court zu bekommen, um den Travel Ban wiedereinzusetzen. Den Tweet beendet er in Trump-Manier: "sad", traurig.

Der Supreme Court wird voraussichtlich nicht vor Herbst in der Sache entscheiden. Das Justizministerium bat zwar um ein beschleunigtes Verfahren und darum, das Verfahren noch vor der Sommerpause zu eröffnen. Aber selbst dann würde die gerichtliche Auseinandersetzung nicht vor Herbst beginnen.

Die Regierung will deshalb, dass der Supreme Court Teile des Travel Ban vorläufig wiedereinsetzt. Weil der Bann mit einer 90-Tage-Befristung versehen ist, könnte er seine Wirkung schon wieder verloren haben, bevor das Gericht zu einer Entscheidung kommt. Diese Frage könnte schneller entschieden werden, aber auch dafür sind fünf der neun Stimmen nötig. Zwar gibt es eine republikanische Mehrheit im Supreme Court von fünf zu neun Stimmen. Aber einer der von republikanischen Präsidenten eingesetzten Richter gilt als unberechenbar. Trump kann nur hoffen, dass dieser nichts auf Tweets gibt.

Wer hofft, dass Trump sich wenigstens im eigenen Interesse zügeln würde, der liegt wohl falsch. Er hat die neue Debatte um seine Twitterei offenbar mitbekommen. Seine Antwort kommt am Dienstagmorgen - auf Twitter: "Sorry, Leute, hätte ich mich auf die Fake News von CNN, NBC, ABC, CBS, Washington Post und New York Times verlassen, ich hätte keine KEINE Chance gehabt, das Weiße Haus zu gewinnen."

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