Urteil in Mainz:Kein Kita-Platz - Stadt muss Privatbetreuung zahlen

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In Rheinland-Pfalz haben Kinder ab zwei Jahren Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Trotzdem müssen viele Eltern auf teure Privateinrichtungen ausweichen, weil es zu wenig Kita-Plätze gibt. Eine betroffene Mutter klagte - und könnte einen Präzedenzfall geschaffen haben.

Oliver Das Gupta

Nahezu unbeachtet hat das Mainzer Verwaltungsgericht im Mai ein Urteil gefällt, das womöglich weit in die Republik wirkt - und den Staat dann teuer zu stehen käme. Die SPD-geführte Landesregierung von Ministerpräsident Kurt Beck war früh in Sachen Familienförderung und Kita-Ausbau vorgeprescht. Seit 2008 gilt in Rheinland-Pfalz das Kinderförderungsgesetz: Jeder, der für sein Kind einen Betreuungsplatz möchte, bekommt einen, sobald dieses zwei Jahre alt ist. Von August 2013 an soll das - ab einem Alter von zwölf Monaten - auch bundesweit gelten, obwohl es bei weitem nicht genügend Krippenplätze gibt.

Kindestagesstätte "nidulus" in Schwerin (Foto: dapd)

Die Causa hat sich längst zu einem Problem für die schwarz-gelbe Bundesregierung ausgewachsen - manche blicken bang auf den Termin der Bundestagswahl im September 2013. Denn immer mehr Vertreter von Ländern, Städten, Landkreisen bezweifeln, dass die nötigen Kita-Plätze und das Personal bis August 2013 vorhanden sind. Die Kommunen warnten im Mai bereits, dass es wegen des Rechtsanspruchs von kommendem Jahr an Klagen hagelt - das Urteil von Mainz liefert einen Vorgeschmack darauf.

Dort hatte die Klägerin schon kurz nach der Geburt ihrer Tochter einen Betreuungsplatz beantragt; das Kind sollte nach dem zweiten Geburtstag eine Kindertagesstätte besuchen; ab diesem Alter besteht laut Landesgesetz der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Doch die Stadt Mainz musste die 38-jährige Mutter ein halbes Jahr vertrösten - die Kitas waren zu voll.

130.000 Kita-Plätze fehlen - mindestens

Deshalb brachte die Klägerin ihre Tochter sechs Monate in einer teuren Privateinrichtung unter und zog vor das Verwaltungsgericht. Dort gab man ihr recht: Der Gesetzgeber garantiere ein "bedarfsgerecht ausgebautes Betreuungsangebot", heißt es in einer Pressemitteilung, die das Gericht am 12. Juni veröffentlichte. Deshalb verurteilten die Richter die Stadt Mainz, der Mutter Schadensersatz zu zahlen: Für ein halbes Jahr private Unterbringung 2187,77 Euro.

Das Urteil könnte zum Präzedenzfall werden - wenn es höhere Instanzen nicht revidieren. Die Stadt Mainz hat noch bis zum 13. Juli Zeit, Berufung einzulegen, hieß es aus dem Verwaltungsgericht auf Anfrage von Süddeutsche.de. Sollte der Richterspruch rechtskräftig werden, dürfte die Causa Kita den Staat von August 2013 an teuer zu stehen kommen: Es fehlen bundesweit noch mindestens 130.000 Kita-Plätze und Zehntausende Erzieher und Tagesmütter.

(AZ 1 K 981/11.MZ)

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