Untersuchung der BND-Vergangenheit:Blick unter die Schlapphüte

Die Geheimdienstlegende, Teil 1

Aus Reinhard Gehlens Privatarchiv: Gehlen (links) mit seinem amerikanischen Verbindungsoffizier Waltman (rechts) in Zürich Ende der vierziger Jahre.

(Foto: NDR)

Der BND war von üblen Figuren der Vergangenheit, von Nazis mit Herkunft aus Gestapo und Sicherheitsdienst durchsetzt. Das zeigen Ergebnisse der "Unabhängigen Historikerkommission", die den Nachrichtendienst untersucht hat. Dabei beschränkt sie sich nicht auf die NS-Verstrickungen.

Von Stephan Speicher

Niemand wird sich darüber wundern, dass der junge Bundesnachrichtendienst und sein Vorgänger, die "Organisation Gehlen", voller Nazis steckte. Unmittelbar nach dem Krieg hatten die Amerikaner Reinhard Gehlen, Chef der Abteilung "Fremde Heere Ost" im Generalstab, in die USA gebracht. 1946 kehrte er nach Deutschland zurück und baute mit ihren Mitteln die Organisation Gehlen auf, aus der 1956 der Bundesnachrichtendienst entstand. Die antisowjetische Ausrichtung, dazu der klandestine Charakter, der zu jedem Geheimdienst gehört - wie sollte der BND wohl frei von üblen Figuren der Vergangenheit sein?

Seit einiger Zeit werden die großen deutschen Institutionen auf ihre nationalsozialistische Vergangenheit untersucht und auf Kontinuitäten über das Jahr 1945 hinaus. Der Bundesnachrichtendienst soll da keine Ausnahme machen, so wurde 2011 eine "Unabhängige Historikerkommission" (UHK) bestellt, seine Geschichte bis 1968 zu schreiben. Aber der ungehinderte Zugang zu den Akten ist bei einem Geheimdienst ein Problem, und in der erster Phase der Arbeit hat es wohl erhebliche Schwierigkeiten gegeben.

Nun stellte die UHK in Berlin auf einer kleinen Tagung erste Ergebnisse vor und äußerte sich zufrieden mit den Arbeitsbedingungen. Man sei frei in der Definition der Forschungsinteressen und auch im Zugang zum Material. Und frei äußerte sich auch der amtierende Präsident Gerhard Schindler. Er versprach, dem Vorschlag der Historiker zu folgen, und ein historisches Büro dauerhaft einzurichten. Im übrigen müsse sich der BND zeigen als "moderner Dienstleister, der fest verankert in der Gesellschaft täglich Hintergrundberichte" liefere.

War der BND in seinen ersten Jahren ein erfolgreicher Geheimdienst? Die Historikerkommission, bestehend aus Jost Dülffer (Köln), Klaus Dietmar Henke (Dresden), Wolfgang Krieger (Marburg) und Rolf-Dieter Müller (Militärgeschichtliches Forschungsamt), hat sich entschieden, eine umfassende Geschichte der Organisation Gehlen und des BND vorzulegen, sich also nicht auf die NS-Verstrickungen zu beschränken.

Nazis gab es viele, sie stiegen aber nicht weit auf

Die Urteile über Gehlen und seine Fähigkeiten schwankten lange Zeit stark. Zuletzt hat sich ein negatives Bild verfestigt, und dieses Bild bestätigte auch Rolf-Dieter Müller. Die Großbehörde, zu der sich der BND bald entwickelte, bekam er nicht richtig in den Griff, die Personalrekrutierung lief an ihm vorbei, es fehlte ihm an Fühlung mit den untergeordneten Ebenen, die das auszuwertende Material besorgten.

Aber er wusste, wie er sich nützlich machen konnte. Er legte Geheimdossiers über wichtige Personen der Bundesrepublik an, von denen die Öffentlichkeit bei der Guillaume-Affäre erfuhr. Ein besonders dickes Konvolut galt Franz-Josef Strauß, damit wollte Gehlen ihm bei Angriffen zu Hilfe kommen können. Das Dossier, von dem Bodo Hechelhammer berichtete, wurde später mit Zustimmung von Kanzleramtsminister Horst Ehmke vernichtet; viel Exaktes weiß man also nicht. Klar ist, dass Gehlen nicht bloß Auslandsspionage treiben, sondern auch im eigenen Land forschen ließ. Indem er nützliche Inlandsinformationen bereitstellte, empfahl er sich der Bundesregierung. Regelmäßig trafen sich Gehlen und Globke, Adenauers Kanzleramtschef .

Den "Auslandsnachrichtendienst in der Innenpolitik" skizzierte Klaus-Dietmar Henke. Hier wurden rechtliche Grenzen überschritten, doch das geschah mit Billigung des Kanzleramtes, nicht untypisch für die Adenauersche "Kanzlerdemokratie". Es lag da auch ein politisches Problem. Gehlens enragierter Antikommunismus führte ihn dazu, nicht zwischen demokratisch und undemokratisch zu unterscheiden, sondern nur zwischen rechts und links. Müller warnte allerdings davor, in Gehlen und dem BND eine große dunkle Macht im Hintergrund zu sehen.

Natürlich bleibt die Frage, wie stark der BND von Altnazis durchsetzt war. Die Personalrekrutierung lief dezentral, so kam es immer wieder zu "Kettenrekrutierungen": Wer akzeptiert war, holte alte Kameraden nach. Doch Christoph Rass, der an einem "Sozialprofil" des BND arbeitet, kommt zu einer bemerkenswerten Differenzierung. Er hat aus den etwa 12000 Personalakten eine Stichprobe von 3500 Akten gezogen und diese nach "NS-Markern" durchgesehen. Er ist noch damit befasst, die Methode zu verfeinern, aber erste Ergebnisse zeigen, dass es zwar viele Nazis gab und auch viele mit besonders übler Herkunft aus Gestapo und Sicherheitsdienst. Diese Leute aber stiegen in der Regel nicht weit auf.

In den Spitzen der Hierarchie fanden sich stärker Angehörige der Wehrmacht und des Auswärtigen Amtes, dann an dritter Stelle der Waffen-SS. Hier dürfte der soziale Instinkt des Generalstäblers Gehlen und seiner Entourage den Ausschlag gegeben haben. Beerdigt wurde er zu "Preußens Gloria".

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