Union und FDP:Die untreue Kanzlerin

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Die FDP argwöhnt, die Kanzlerin sei nach dem sehr unerquicklichen Start auf dem Weg zu neuen Mehrheiten. Doch die Partei von Guido Westerwelle leidet vor allem an sich selbst. Angela Merkel wiederum interessiert nur eines - und das ist, Regierungschefin zu bleiben.

Nico Fried, Berlin

Die größte politische Leidenschaft Angela Merkels heißt Angela Merkel. Sie ist einfach gerne Bundeskanzlerin. Ihre Emphase für Koalitionen richtet sich hingegen danach, was für den Erhalt ihrer Kanzlerschaft gebraucht wird.

Politische Partner, die perdu sind: Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) (Foto: Foto: AFP)

Die große Koalition war eine allseits ungeliebte Notlösung, weshalb Merkel sie stets besserreden musste als die Wirklichkeit, um überhaupt vier Jahre mit der SPD regieren zu können. Die schwarz-gelbe Koalition galt vielen als eine Liebesheirat, wurde und wird aber von Merkel viel nüchterner beurteilt.

Diese Kanzlerin bringt in die Pflege ihrer Bündnisse so viel Engagement ein wie nötig, aber mitnichten so viel Herzblut wie möglich. Merkel will nicht mit einem Projekt irgendeiner Farbe verbunden werden. Aus ihrer Sicht können Koalitionen irgendwann anfangen und irgendwann enden - Hauptsache, die Kanzlerin bleibt.

Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass Angela Merkel die erste Kanzlerin wird, die nacheinander mit drei Koalitionspartnern regiert: erst die SPD, dann die FDP, dann die Grünen. Aber es ist keineswegs sicher, dass es auch so kommt. Für Merkel ist nicht die reale Koalition entscheidend, sondern die strategische Option.

Vor der Bundestagswahl 2009 wusste Merkel, dass sie Kanzlerin bleiben würde, entweder mit der FDP oder eben mit der SPD. Für die Bundestagswahl 2013 wäre ihre Idealvorstellung, schon vorher zu wissen, dass sie Kanzlerin bleibt: entweder mit der FDP oder mit den Grünen. Merkel ist nicht treu. Aber Politik ist auch nicht Liebe.

Nun aber wächst in den Reihen der FDP der Argwohn, Merkel sei schon nach etwas mehr als 100 ziemlich unerquicklichen Tagen in der schwarz-gelben Regierung unterwegs zu neuen Mehrheiten.

Schreckgespenst Schwarz-Grün

Während Außenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle kürzlich davon sprach, seine Partei wolle die nächsten zehn Jahre regieren, unternimmt die Kanzlerin nichts dagegen, dass auch die Grünen als potentieller Koalitionspartner gesehen und gehandelt werden.

Indizien sind die von höchster Stelle geduldete Atom-Skepsis des christdemokratischen Umweltministers Norbert Röttgen und die unvermeidlichen schwarz-grünen Spekulationen in Nordrhein-Westfalen. Die Umfragezahlen tun ein Übriges. Merkel, der noch vor wenigen Jahren viele nicht viel zutrauten, trauen heute die meisten alles zu.

Diese Spekulationen haben zum jetzigen Zeitpunkt allerdings mit Merkel wenig, sehr viel dagegen mit der FDP zu tun. Schwarz-Grün verbreitet derzeit weniger Hoffnung als Schrecken. Und zwar bei denen, die sich am meisten damit beschäftigen, weil sie davon den größten Schaden hätten: den Liberalen.

Die Angst vor Schwarz-Grün in Nordrhein-Westfalen ist die Angst der FDP vor der eigenen Bedeutungslosigkeit - wie gewonnen, so zerronnen. Der Verweis auf die schwarz-grünen Möglichkeiten ist das Eingeständnis eigener Unzulänglichkeiten.

Mit dem Schreckgespenst einer anderen Regierung wirbt nur, wer selbst nicht genug zu bieten hat. Gegen eine solche Negativ-Kampagne der SPD haben Union und FDP die Bundestagswahl gewonnen. Jetzt graben die Liberalen an derselben Grube und fallen am Ende womöglich selbst hinein.

Symphatien verspielt mit Gernegroß-Mentalität

Die FDP leidet also - noch - nicht an der Treulosigkeit der Kanzlerin, sondern an sich selbst. Aus der Fehleranalyse nach dem Absturz in den Umfragen haben Westerwelle und die Seinen den Schluss gezogen, den Kurs, der sie in den ersten 100 Tagen auf die abschüssige Bahn geführt hat, in den zweiten 100 Tagen noch vehementer zu verfolgen.

Dass es aber gerade der Triumphalismus und die Gernegroß-Mentalität sind, mit denen ein kleiner Koalitionspartner Sympathien verspielt, hätten die Liberalen an den Grünen nach dem Regierungsantritt 1998 lernen können. Und die hatten sogar einen populären Außenminister.

Die These, Schwarz-Grün in Nordrhein-Westfalen sei im Sinne Merkels, ist schlicht abwegig. Die Kanzlerin wäre geschwächt, auch weil die absehbaren Verluste für die CDU nicht zuletzt ihr angelastet würden.

Wäre Ministerpräsident Jürgen Rüttgers mit einer solchen Koalition erfolgreich, erwüchse der Kanzlerin außerdem innerparteilich ein unangenehmer Konkurrent. Scheiterte Rüttgers aber vorzeitig, wäre diese Variante für 2013 diskreditiert.

Möglichkeit, nicht Modell

Merkel braucht Schwarz-Grün zunächst vor allem als Möglichkeit, nicht als Modell. Mehrere Koalitionsoptionen haben für sie mehr Potential: Drohpotential.

Zudem muss eine Kanzlerin, deren Union nur 33 Prozent erreicht hat, nicht nur auf Koalitionen schauen, sondern auch auf die eigene Partei.

Dass Merkel in ihrer Umgebung Leute in Schlüsselpositionen gebracht hat, die auch für ein grün orientiertes Bürgertum akzeptabel erscheinen, wird gemeinhin zu einseitig als Vorbereitung auf eine schwarz-grüne Koalition interpretiert.

Vielleicht geht es Merkel aber gar nicht um die Grünen, sondern nur um deren Wähler. Ein souveräner Koalitionspartner könnte mithin gelassen zuschauen, wie die Union neue Wählerschichten umwirbt, um die Grundlage für die bestehende Regierung zu erhalten.

Doch die FDP ist nicht gelassen.

Und wenn die Liberalen so weitermachen, regiert Merkel sie kaputt wie weiland die Sozialdemokraten.

© SZ vom 11. Februar 2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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