Übergriffe in Cottbus:"Das kann keinen politisch Verantwortlichen ruhig lassen"

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Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am 16. Januar in der Staatskanzlei in Potsdam (Brandenburg). (Foto: dpa)
  • Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke warnt vor einer "Spirale aus Angst, Hass und Gewalt" in Cottbus.
  • Dort haben Rechte Flüchtlinge angegriffen, eine Unterkunft gestürmt und Reizgas an Passanten verteilt.
  • Auch syrische Jugendliche begingen Gewaltdelikte.
  • Seit einigen Wochen nimmt die Stadt keine Flüchtlinge mehr auf.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke versucht, die Stimmung in Cottbus zu beschwichtigen und verurteilt rechtsextreme "Hassprediger". In einem Gastbeitrag im Tagesspiegel schreibt der SPD-Politiker, fremdenfeindliche Rechte arbeiteten daran, "eine Spirale aus Angst, Hass und Gewalt in Gang zu setzen".

In der brandenburgischen Stadt Cottbus gab es zuletzt immer wieder Übergriffe, Konflikte zwischen Rechten und Flüchtlingen und rechtsextreme Aktionen, auf die der Ministerpräsident nun reagiert.

"Gewalttaten einzelner, eine sich selbst beschleunigende Dynamik aus Tatsachen und Behauptungen, aus Wahrem und Lügen brachte viel Unruhe", kommentiert Woidke. Das sei "zum Schaden der Stadt, der Lausitz, des ganzen Landes Brandenburg. Das kann keinen politisch Verantwortlichen ruhig lassen."

"Was wir nicht brauchen, sind gegenseitige Schuldvorwürfe"

Zu Silvester hatte ein Mob eine Flüchtlingsunterkunft gestürmt und mehrere Bewohner verletzt. Vier Männer und zwei Frauen griffen die Bewohner mit Fäusten und einer Flasche an. Der Bürgerinitiative "Cottbus schaut hin" zufolge waren drei afghanische Flüchtlinge bereits auf dem Heimweg von etwa zehn Menschen mit Schlagringen und Bierflaschen angegriffen worden. Weil die Wachleute der Unterkunft nicht bereits nach deren Eintreffen die Polizei gerufen hatten und der Gewalt im Heim tatenlos zugesehen hätten, ermittelt der Staatsschutz. Wie an diesem Freitag außerdem bekannt wurde, fahndet die Polizei nun öffentlich mit Bildern von Überwachungskameras nach den Angreifern.

Im Januar griffen junge Syrer ein deutsches Ehepaar und einen Jugendlichen mit Messern an. In einem Einkaufszentrum schlug ein 21-jähriger Syrer einem jugendlichen Landsmann mehrmals ins Gesicht. Ein dritter Syrer verhinderte schwere Verletzungen bei dem Jugendlichen.

Das Land Brandenburg reagierte mit mehr Polizeipräsenz - und entschied, dass Cottbus bis auf weiteres keine Flüchtlinge mehr aufnimmt. Diese Entscheidung der rot-roten Landesregierung sorgte für heftige Kritik.

Anfang der Woche verteilten Rechtsextreme Reizgas und NPD-Flyer an Passanten in der Cottbusser Innenstadt. Der Polizei zufolge wird gegen die sechs Männer nun zunächst wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ermittelt. Schon im vergangenen Jahr soll es ähnliche Verteil-Aktionen und Reizgas-Angriffe auf Flüchtlinge gegeben haben.

Zudem veranstalten immer wieder Rechte in der Stadt Demonstrationen gegen Zuwanderung. Umgekehrt haben Flüchtlinge eine Demonstration am 3. Februar initiiert. Das Motto lautet: "Leben ohne Hass - gemeinsam gegen die Angst". Zudem findet am 15. Februar eine Demonstration nach dem Motto "Cottbus bekennt Farbe" statt. Woidke schreibt, er hoffe, dass möglichst viele Menschen teilnehmen.

Er übt zudem Kritik an der "deutlich überzogenen" Berichterstattung über Cottbus.

"Was wir nicht brauchen, sind gegenseitige Schuldvorwürfe", kommentiert der Politiker in seinem Beitrag. Er betont, dass Straftäter "gleich welcher Herkunft oder Nationalität" bestraft werden sollten. Es dürfe kein Wegsehen geben.

"Jetzt kommt es darauf an, dass alle an einem Strang ziehen, Spannungen abbauen und die Verhältnisse beruhigen", schreibt Woidke; das sei das Ziel "eines breiten Bündnisses in Cottbus und ganz Brandenburg". Die Stadt habe bereits "eine starke Zivilgesellschaft", die zusammen mit Kommunal- und Landespolitikern handeln müsse. Was außerdem helfen könne, seien "ganz einfache Zeichen der Mitmenschlichkeit im Alltag".

Cotttbus hat etwa 100 000 Einwohner. Momentan leben in der Stadt etwa 4300 Flüchtlinge.

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