TV-Duell Rüttgers-Kraft: Die Rhetorik:Wie war ich, Hannelore?

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Jürgen Rüttgers nicht plastisch, Hannelore Kraft fast tantenartig - politische Redekraft bot das TV-Duell nicht.

Johan Schloemann

Jürgen Rüttgers (CDU), der Verteidiger.

Wich seiner Gegnerin nicht aus, wirkte trotzdem dröge: Jürgen Rüttgers (Foto: Foto: dpa)

Seine Stärken:

Der Ministerpräsident strahlt Ruhe und Souveränität aus. Seine Redehaltung setzt auf Erfahrung und auf den Amtsbonus. Das kann durchaus vertrauensfördernd wirken.

Rüttgers ist gut im "Ich"-Sagen. Dies macht seine Sprache zwischenzeitlich anschaulicher. Seine Ich-Erzählungen wirken echt, nicht angelernt. Das ist eine kluge Methode - in den TV-Debatten der Spitzenkanditaten im Wahlkampf in Großbritannien wird sie gerade auch viel angewendet. So berichtet Rüttgers von seinen Begegnungen mit alleinerziehenden Müttern, und er sagt: "Ich habe viele Hauptschulen besucht."

Gut ist Rüttgers in der Direktansprache der Gegnerin. Er weicht der Herausforderin nicht aus, stellt sie zur Rede.

Konkret rhetorisch punkten kann Rüttgers bei den Themen Bildungspolitik (Ausbau der Schulen unter seiner Regierung: "Ich will keinen Schulkrieg´") und Kinderbetreuung: "Ich kann nicht alles sofort zu Ende führen, was Sie in Ihrer Regierung gar nicht erst angepackt haben!" Erwartbar stark wirkt Rüttgers auch in der Kritik des Umgangs der SPD mit der Linkspartei: "Wer soll Ihnen noch glauben?"

Seine Schwächen:

Im Versuch, den Landesvater zu geben, wirkt Rüttgers viel zu schnarchig. Er übertreibt es mit der Gelassenheit: Sein Auftritt ist schwerfällig, dröge, unkämpferisch. Er spielt über weite Strecken auf Defensive. Auch sein Schluss-Statement ist viel zu gesetzt und pastoral, zu bedacht: "Nordrhein-Westfalen ist ein wunderschönes Land... Ich bitte Sie herzlich um Ihre Stimme..."

Die fehlende Dynamik drückt sich auch in der Körpersprache aus. Es gibt zu wenig Bewegung. Engagement wird so nicht erkennbar, der Körper signalisiert keinerlei Einsatz für das bessere politische Argument. Auch die Gesichts-Mimik bleibt starr. Für seinen rheinischen Zungenschlag kann er nichts, aber kombiniert mit der steifen Haltung kommt Rüttgers einem an diesem Abend nahezu einfältig vor.

Rüttgers' Sprache ist immer wieder viel zu bürokratisch: "Wir haben die Versorgungsverwaltung kommunalisiert." - "Einiges an Handlungsbedarf..." - "Angesichts des gerade geschilderten Sachverhalts..." (!)

Den Stadtteil Dortmund-Hörde nennt er "Dortmund-Förde". Einige "Ähs", auch wenn das im Laufe des Abends besser wird.

Mit dem Sponsoring-Skandal konfrontiert, ist Rüttgers zu ausweichend. Die Leistungen seiner Regierung werden nicht plastisch und verständlich formuliert.

Lesen Sie auf Seite 2, welche Stärken und Schwächen bei SPD-Kandidatin Hannelore Kraft zum Vorschein kamen.

Hannelore Kraft (SPD), die Herausforderin.

Konterte gut, verkörperte aber keine Aufbruchsstimmung: Hannelore Kraft (Foto: Foto: dpa)

Ihre Stärken:

Hannelore Kraft hat in ihrer Sprache immer wieder eine gewisse Direktheit. Sie spricht von der "Zockerei" der Banken, und das wirkt nicht anbiedernd, sondern passt recht glaubwürdig zu ihrer Herkunft aus einer Arbeiterfamilie im Ruhrgebiet.

Im direkten Austausch hat Kraft die besten rhetorischen Momente bei der Diskussion über die Schulpolitik: "Da sitzen die Kinder nun in diesen Schubladen und kommen nicht mehr raus." "Wir stecken fest in diesem Schulsystem." In diesem Zusammenhang gelingt es ihr auch, nachvollziehbare Fallgeschichten zu erzählen. Streckenweise klingt die "Gemeinschaftsschule" ganz einladend. Ähnlich stark und konkret ist sie beim Thema Studiengebühren.

Ihren besten Konter des Abends gibt Kraft, als sie auf Rüttgers' Versprechen von Kostensenkungen zum Schuldenabbau direkt nachfragt, in welchen Bereichen er denn ganz konkret öffentliche Stellen streichen wolle. Da profiliert sie sich als Anwältin des wirklichen Lebens.

Hannelore Kraft spricht von den beiden das rhetorisch deutlich bessere Schluss-Statement. Da ist sie zwar etwas schwammig, aber näher am Menschen als Rüttgers, dynamischer und handlungswilliger. Nicht nur Verwaltung, sondern Veränderung, das ist die Botschaft, die hier aufscheint.

Krafts Hauptvorteil im Auftreten ist der Eindruck von Normalität.

Ihre Schwächen:

Hannelore Kraft hat kein Charisma, und dieser Mangel wird nicht durch Spritzigkeit oder Gewitztheit augeglichen.

Ihre Stimme ist recht unelegant, es ensteht beim Sprechen ein monotoner Eindruck, als würde sie am Telefon ein Kochrezept durchgeben. Sie lacht zu wenig, nur ein schematisches kritisches Lächeln gegenüber Rüttgers blitzt auf, aber Aufbruchsstimmung kann sie beim Reden nicht verkörpern.

In der Argumentation ist Kraft besonders kraftlos, wenn es um die Finanzierbarkeit von Vorschlägen geht. So ist sie sehr unklar bei der Gegenfinanzierung von kostenlosen Kita-Plätzen ("das Geld durch Umschichtung erwirtschaften"), da ähnelt sie fast der FDP mit ihren Steuerversprechen.

Im Eintreten für die teure Steinkohleförderung macht sie den Betonkopf. Beim Umgang mit der Linkspartei eiert sie für jeden sichtbar herum. Die Angst vor dem Ypsilanti-Effekt lässt sie an dieser Stelle nicht souverän wirken. Auch Kraft benutzt immer wieder viel zu bürokratische Ausdrücke. Bei der Leiharbeit gehe es darum, "Auftragsspitzen abzudecken". So etwas muss man entweder erklären oder weglassen.

Insgesamt ist der Auftritt ein wenig tantenartig, verströmt wenig Führungsfähigkeit.

Jörg Schönenborn und Gabi Ludwig, die Schiedsrichter.

Ihre Stärken:

Die WDR-Moderatoren Jörg Schönenborn und Gabi Ludwig zeigen sich gut informiert. Sie haben Überblick über die Diskussionslage und die Zeitkonten im Griff. Sie Sendung wird live übertragen - beim letzten NRW-Duell wurde noch aufgezeichnet.

Ihre Schwächen:

Wie beim letzten Kanzlerduell zwischen Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel mischen sich die Moderatoren viel zu viel ein. So kann kaum eine richtige Debatte, kaum ein informativer Schlagabtausch zwischen den beiden Kandidaten entstehen. Kritische Gegenfragen sollten besser direkt vom politischen Gegner kommen, nicht vom Moderator. Es dauert in der einstündigen Sendung 20 Minuten, bis Jürgen Rüttgers die Mitbewerberin Hannelore Kraft das erste Mal direkt anredet: "Liebe Frau Kraft!" So wirkt das Ganze zu hektisch, zu kurz.

Der übertragende Sender WDR tut nichts für eine politische Aufbruchstimmung: Es gibt keine Vorberichterstattung, Kaltstart direkt nach der Tagesschau, auch keine Nachbereitung im WDR-Fernsehen. Bis auf die Einblendung von Live-Facebook-Kommentaren ist der Web-Auftritt des WDR zum Duell miserabel.

Nicht neutral, aber trotzdem vorbildlich ist dagegen die Live-Transskription mit Kommentierung bei den Grünen: http://tvduell.gruene-nrw.de/duell.

Fazit:

Es war keine Glanzstunde der politischen Rhetorik, und für den Rest des Wahlkampfs wurde kein Feuer entfacht. Bei beiden Kandidaten zu wenig Bemühung, den eigenen Standpunkt dem Zuschauer und Wähler klar zu machen. Kein klarer Sieger im Auftreten, vielleicht ein kleines Plus für Rüttgers.

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