Theologie:Die Freiheit zu glauben

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Rolf Bauerdick: Wenn Gott verschwindet, verschwindet der Mensch. Eine Verteidigung des Glaubens. DVA München 2016, 336 Seiten, 19,99 Euro. E-Book: 15,99 Euro. (Foto: N/A)

Der Weltreisende Rolf Bauerdick rechnet mit der radikalen Religionskritik ab und plädiert zugleich für einen neuzeitigen Typus des Pilgers.

Von Silke Niemeyer

Auf den ersten Blick erscheint Rolf Bauerdicks "Verteidigung des Glaubens" wie ein Panoptikum aus journalistischer Reportage, theologischer Reflexion, Zivilisationskritik und biografischem Bekenntnis. Wie ein roter Faden jedoch zieht sich durch sein Buch seine Überzeugung, dass das Menschsein und die Menschlichkeit bedroht sind, wenn der Glaube an Gott verschwindet. Das Ende der Transzendenz und damit der Sehnsucht nach dem ganz anderen, führt nicht in die schöne menschliche Welt ohne Gott, Himmel und Hölle. Im Gegenteil. Bauerdick spürt, dass wir in einer Zeit leben, in der die Koordinaten der vertikalen und horizontalen Weltverortung zwischen Himmel und Erde aus der Balance geraten sind.

Rolf Bauerdick, Theologe und Journalist, Fotograf und Weltreisender, rechnet mit dem Materialismus und der radikalen Religionskritik ab, die den Glauben an Gott als Krankheit und die Abschaffung des Himmels als Befreiung proklamiert. Ebenso entlarvt er einen selbstgefälligen religiösen Fundamentalismus, der meint, Gott bereits gefunden zu haben. Kein Weg führt zurück in vergangene, angeblich glaubensfestere Zeiten. Anstatt eine geistliche Orientierungslosigkeit zu bejammern und den Autoritätsverlust der Kirchen zu beklagen, sieht Bauerdick in dem Verlust von tradierten Gewissheiten des Glaubens auch einen Gewinn. "Unsere Freiheit hat uns erlaubt, uns von Gott zu verabschieden. Aber nie waren wir freier, in der Erfahrung des Verlustes nach Gott zu fragen."

Bauerdicks Buch ist gelehrsam und unterhaltsam zugleich, es meidet Klischees und ist gleichermaßen eingängig. Es bewegt sich in metaphysische Höhen, stochert in biblischen Untiefen, und scheut auch nicht den Gang durch Niederungen religiöser Sonderbarkeiten. Bauerdick erzählt spannend, vergnüglich und bisweilen selbstironisch von seiner eigenen Lebensgeschichte. Aufgewachsen in einem katholischen Dorf im Sauerland, politisierte er sich bei den Christen für den Sozialismus, wurde schließlich Reporter und besuchte etwa die Klapperschlangensekten in den USA, Exorzisten in Rumänien oder Priester auf Mexikos Müllhalden. Aus all den Facetten entstand das Buch eines Bewahrers des Reichtums der christlichen und biblischen Tradition. Seine Stärke ist, dass er keine Hemmungen hat, sogenannte Querdenker nochmals quer zu denken. Eine erfrischend undogmatische Verteidigung der Dogmatik und eines selbstbewussten Glaubens, ein spannendes und glaubwürdiges Plädoyer für einen neuzeitigen Typus des Pilgers, unterwegs, weltoffen und fragend als bekennender Christ.

Silke Niemeyer ist Pfarrerin in Lüdinghausen. Sie schreibt und spricht seit zehn Jahren kirchliche Beiträge im Rundfunk (WDR und Deutschlandfunk).

© SZ vom 27.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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