Terror:Wie Paris den Tag nach den Anschlägen erlebt

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Zwischen Angst und Weitermachen: Auf den Straßen der französischen Hauptstadt versuchen die Menschen, in den Alltag zurückzufinden.

Von Felix Hütten, Paris

Es ist ruhig in Paris. Am Morgen nach den Anschlägen wacht die Stadt auf, als sei nichts gewesen. Die Geschäfte sind noch geschlossen. Jogger und die Straßenreinigung sind unterwegs. Die Gehwege in der französischen Hauptstadt sind bedeckt von Herbstlaub. "Wir haben keine Angst", sagt ein Pärchen, das am Jardin du Luxembourg vorbeiläuft. "Wir müssen unser Leben weiterleben." Der Park, in dem das Senatsgebäude steht, ist komplett gesperrt. Davor halten Soldaten Wache. Sie wollen nicht sagen, ob der Schrecken schon vorbei ist. Man sei vorbereitet.

Gegen Mitternacht stellten die Verkehrsbetriebe viele U-Bahn-Verbindungen ein, auch die Nachtbusse verkehrten nicht mehr. Doch am Morgen fährt die Metro wieder und an den Ticketschaltern der Nahverkehrszüge ernten Reporter kritische Blicke, wenn sie nach Gefahr fragen. "Alles ist normal", sagt die Frau hinter der Glasscheibe an der Station Denfert-Rochereau im 14. Arrondissement. Und setzt nach: "Die Bahnhöfe werden kontrolliert."

Die Menschen auf der Straße sind unsicher, ob das stimmt. Viele werden heute die Metro meiden. Paris ist eng, Menschenansammlungen sind normal. Doch am Samstag bleiben einige Museen geschlossen, auch der berühmte Jardin des Plantes ist zu. Die bei den Parisern beliebten Wochenmärkte wurden abgesagt. Stadtführer annullieren ihre Führungen: Heute kein Eiffelturm, keine Notre-Dame. Es gibt das Gerücht, dass weitere Anschläge bevorstehen. Von den Behörden kommt dazu keine entsprechende Nachricht.

Mulmiges Gefühl nach den ersten Meldungen

In der Nacht noch hatten viele Pariser dringend versucht, nach Hause zu kommen - oder zumindest eine Unterkunft zu finden. Die Polizei hatte die Bürger aufgefordert, in ihren Wohnungen zu bleiben. Nachdem gegen 22 Uhr auf allen Kanälen von den Anschlägen berichtet wurde, machte sich bei vielen ein mulmiges Gefühl breit. Was tun? Zu Fuß gehen? In einem Café warten? Menschen verfolgten mit ihren Smartphones auf der Straße das Geschehen, es bildeten sich kleine Gruppen. Einige, die nicht mehr in Richtung Innenstadt fahren wollten, suchten in Hotels Unterschlupf, Taxis waren lange Zeit keine mehr zu bekommen. Es war eine milde Novembernacht, ein normaler Freitagabend, die Bars der Stadt waren voll, die Unruhe spürbar.

Der Stadtverkehr läuft am Morgen dem Augenschein nach normal. Busse und die Metro fahren wieder. Am Morgen zeigen die Taxameter die gewohnt teuren Pariser Preise an - in der Nacht war das Gerücht umgegangen, dass Taxis Menschen kostenlos nach Hause fahren. Die Menschen kaufen Baguette nahe am Centre Pompidou. In der Bäckerei erzählt die Verkäuferin, die Tochter einer Freundin sei im Bataclan gewesen, wo Geiseln erschossen wurden. Die junge Frau habe überlebt. Die Bäckerin sagt, sie habe Angst.

Die Sicherheitskräfte haben sich zurückgezogen, auf den Straßen im 10. Arrondissement ist normales Samstagsleben - und doch reden viele nur über diese Nacht. Frankreich rückt zusammen, soweit das im Moment möglich ist. Am Sonntag soll in Notre-Dame in einer Messe der Toten gedacht werden. Von den etwa 350 Verletzten schweben 99 in Lebensgefahr. Mindestens 129 Menschen haben bislang ihr Leben verloren.

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