Terror-Prävention:Kleckern gegen den Dschihad

Lesezeit: 2 min

Tausende junge Leute haben sich auch in Deutschland bereits islamistischen Ideologien zugewandt. Doch für Programme, die diese Radikalisierung bekämpfen, stellt der Bund nur sehr wenig Geld bereit.

Von Stefan Braun, Berlin

Die Sicherheitslage bereitet Sorge, die Verfassungsschutzbehörden stoßen an ihre Grenzen und der Bedarf an Prävention wäre riesig. Trotzdem fällt die bisherige Reaktion der Bundesregierung auf die Bedrohung durch radikalislamistische Dschihadisten eher bescheiden aus. Dieser Eindruck jedenfalls entsteht angesichts des Wenigen, das die Regierung dafür ausgibt, gefährdete Jugendliche von ihrem Weg abzubringen oder über Freunde und Angehörige Einfluss auf sie zu nehmen.

Addiert man die Programme zur Prävention und De-Radikalisierung, mit denen der Bund seit drei Jahren dem rasch wachsenden Problem zu begegnen sucht, kommt man auf gerade mal zweieinhalb Millionen Euro. Sie wurden für die Arbeit staatlicher und nicht-staatlicher Einrichtungen eingesetzt, die als Anlauf- und Beratungsstellen für Eltern, Angehörige, Freunde und Lehrern im gesamten Bundesgebiet dienen. Bisher haben sich kaum mehr als zwei Dutzend Menschen bundesweit dieser Aufgabe verschrieben. Das Bild vom Tropfen auf den heißen Stein - hier passt es wirklich.

Das geht aus zwei Antworten des Bundesinnenministeriums auf schriftliche Anfragen der Grünen hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Gemessen an der Gefahr, die nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden von Dschihadisten und Anhängern radikaler Salafisten ausgeht, ist das tatsächlich eine verschwindend geringe Summe. Gerade jetzt vor Weihnachten warnen die Polizeibehörden wieder vermehrt vor möglichen Attacken durch Einzelgänger oder kleine Gruppen.

Gleichzeitig registrieren die Verfassungsschutzbehörden, dass die Zahl derjenigen, die sich als Jugendliche den fundamentalistischen Salafisten zuwenden, weiter ungebremst ansteigt und bis Jahresende bei gut 7000 liegen dürfte. Und die schiere Zahl der als gefährlich eingeschätzten Personen aus dieser Szene beläuft sich inzwischen auf mehrere Hundert. Das führt dazu, dass der Verfassungsschutz mit seinen Bemühungen, diese rund um die Uhr zu beobachten, an seine Kapazitätsgrenzen stößt.

Immerhin reagieren der Bundesinnenminister und seine Kollegen in anderen Ressorts inzwischen und geben mehr Geld für Präventionsprogramme aus. So wurde in den gerade beendeten Haushaltsberatungen beschlossen, ein Programm des Familienressorts, gewidmet dem Kampf gegen alle Arten von Extremisten, um zehn Millionen Euro zu erhöhen, um Aufklärungs- und Bildungsprojekte zu finanzieren. Noch allerdings gibt es dafür keine konkreten Pläne. Das Ministerium arbeite noch an ihnen, heißt es. Hoffnungen setzt das Bundesinnenministerium zudem auf die Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung. Diese bietet seit Längerem ausführliche Informationen und Seminare über die Salafisten in Deutschland an. Spürbare Erfolge lassen sich bislang jedoch kaum messen.

Nichtsdestotrotz hat die Bundeszentrale nun eine besondere Aufgabe bekommen: Sie soll Strategien entwickeln, die dem anscheinend unaufhaltsamen Erfolg der Dschihadisten-Szene im Internet Paroli bieten soll. Wie der Präsident der Bundeszentrale, Thomas Krüger, jüngst berichtete, will und soll die Zentrale versuchen, mit Rappern, Historikern und aufgeklärten Imamen Gegenangebote und Gegeninformationen zu den Netz-Auftritten islamistischer Gewaltideologen zu liefern. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte angekündigt, man werde sich um ein "counter narrative" bemühen, eine Gegen-Erzählung also zu der simplen Weltsicht, mit der radikale Salafisten Anhänger gewinnen. Krüger räumte ein, dass das einige Zeit brauchen werde. Bis Mitte 2015 will er Ideen und Vorschläge unterbreiten.

Hauptanlaufstelle für die Betreuung und Beratung von gefährdeten Jugendlichen und ihren Angehörigen bleibt die Beratungsstelle Radikalisierung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF). Dort jedoch beschäftigen sich bisher genau drei Mitarbeiter mit dem Thema - in enger Kooperation mit vier privaten Organisationen, darunter dem Zentrum Demokratische Kultur (ZDR) in Berlin.

Eines jedoch könnten auch riesige Programme des Bundes nicht verhindern: dass die Terrororganisation des Islamischen Staates (IS) derzeit bei gefährdeten Jugendlichen besonders attraktiv ist. Das liege zuallererst an seinem "Nimbus der Unbesiegbarkeit", meint die Dschihadismus-Expertin Claudia Dantschke vom ZDR: "Die Jugendlichen wollen beim Stärksten sein. Sie wollen zur ersten Generation des neuen Reiches gehören. Das ist es, was den IS für sie so attraktiv macht." Größere Erfolge gegen die Umtriebe radikaler Islamisten hierzulande wird es deshalb wohl erst geben können, wenn die Terrormiliz Islamischer Staat im Irak und in Syrien erkennbar zurückgedrängt wird.

© SZ vom 24.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: