Terror in der Türkei:Anschlag am Flughafen: In Istanbul liegt der Alltag in Scherben

Lesezeit: 3 min

  • Drei Selbstmordattentäter sprengten sich am Istanbuler Atatürk-Flughafen in die Luft und rissen Dutzende Menschen mit sich in den Tod.
  • Die Zahl der Toten steigt von 36 auf 41. 13 davon sollen Ausländer sein. Unter den Verletzten ist eine Deutsche.
  • Am Tag danach versuchen die Flughafenmitarbeiter Normalität zu simulieren.
  • Der Angriff sorgt allerdings für massives Chaos im Flugverkehr.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Am Blumenstand im Flughafengebäude riecht es nach Frühling. Den Verkäufer muss man im Grün suchen. Er sitzt ganz hinten, verborgen von Orchideen, an seinem Schreibtisch und schaut im Internet einen Horrorfilm. Er dreht den Computer seinem Besucher zu, damit der mitschauen kann.

Ein Mann wird angeschossen. Er schleppt sich noch ein paar Schritte, geht zu Boden und bleibt liegen. Aber der Film ist noch nicht vorbei. Was jetzt kommt, weiß der Blumenverkäufer. Er tut so, als ob er mit dem Daumen einen Knopf betätigt. Das ist der Moment, als sich im Horrorfilm der angeschossene Attentäter in die Luft jagt.

Passiert ist das wirklich. Nicht einmal einhundert Meter von hier entfernt. Letzte Nacht. Es war gegen 22 Uhr, als der Terror wieder über Istanbul hereinbrach.

Drei Selbstmordattentäter sprengten sich am Istanbuler Atatürk-Flughafen in die Luft und rissen Dutzende Menschen mit sich in den Tod. Die Zahl der Toten stieg laut dem Istanbuler Gouverneursamt auf 41, 239 Menschen seien verletzt worden. Zuvor soll mindestens einer der Attentäter mit einer Kalaschnikow im Ankunftsbereich des Airports um sich geschossen haben.

Istanbul
:Chaos und Verwüstung am Atatürk-Flughafen

Krankenwagen und Einsatzfahrzeuge, Menschen, die sich auf die Straße in Sicherheit gebracht haben, Einschusslöcher: Szenen vom Istanbuler Flughafen.

Aus türkischen Regierungskreisen wurde bestätigt, dass 13 Ausländer unter den Toten sind. Es handele sich demnach um fünf Saudis, zwei Iraker, einen Tunesier, einen Usbeken, einen Chinesen, einen Iraner, einen Ukrainer und einen Jordanier. Die anderen Todesopfer sind türkische Staatsbürger. Deutsche sind nach dieser Auflistung nicht unter den Todesopfern.

Eine Deutsche ist bei dem Anschlag verletzt worden. Sie befindet sich noch in medizinischer Behandlung, soll aber bis Mittwochabend das Krankenhaus wieder verlassen können, heißt es aus dem Auswärtigen Amt.

Hinter dem Anschlag soll die Terrororganisation Islamischer Staat stecken. Das vermutet die Regierung. Schon wieder Terrortote. Das Land kommt nicht zur Ruhe.

Am Morgen danach versucht der Flughafen Normalität zu simulieren. Jedenfalls ist erstaunlich, wie das Terminal schon wieder funktioniert. Das zu Bruch gegangene Glas ist noch nicht einmal überall aufgekehrt, da ziehen Passagiere ihre Rollkoffer in dem Gebäude schon wieder hinter sich her. Der Flugbetrieb läuft wieder.

Hier stimmt nichts mehr

Erste Flüge von Turkish Airlines landeten am frühen Morgen. Der Angriff sorgt allerdings für massives Chaos im Flugverkehr. Turkish Airlines strich für Mittwoch mehr als 340 Flüge. Und auf dem Monitor steht hinter allen Flügen: verspätet. Eine Mitarbeiterin des Flughafens bricht im Gehen in Tränen aus und hält sich die Hand vors Gesicht. Das ist der Moment, in dem man spürt, dass hier nichts stimmt.

Im Eingangsbereich des Flughafens gab es zwei Detonationen. Die Stellen sind mit gelbem Band abgesperrt. Mitarbeiter haben Baustellenwände aufgestellt. Wenn man nicht gerade die Einschusslöcher sehen würde, könnte man meinen, hier stehen Routinearbeiten an.

Das sah in der Nacht anders aus. Ankunfts- und Abflugbereich des größten Flughafens der Türkei wurden kurzfristig vollständig gesperrt, sämtliche Flüge gestrichen. Fotos vom Anschlagsort zeigten ein Bild der Verwüstung außerhalb des Ankunftsterminals, wo Passagiere gewöhnlich auf Taxis warten. Zahlreiche Krankenwagen waren vor Ort.

Augenzeugen schilderten der Nachrichtenagentur Reuters, wie sie den Angriff erlebten. "Es gab eine gewaltige Explosion", berichtet Ali Tekin, der in der Ankunftshalle auf einen Fluggast wartete. "Es war sehr laut. Die Decke stürzte herab. Im Flughafen sieht es furchtbar aus."

Eine Frau, die gerade aus Deutschland angekommen war, erzählt, sie habe sich auf den Boden geworfen, als sie die Explosion gehört habe. "Alle sind weggerannt. Überall lagen Körperteile. Alles war voller Blut."

Polizei fahndet nach Hintermännern

Auch etliche Stunden nach dem schweren Anschlag hat sich noch niemand dazu bekannt. Die türkische Regierung sieht Hinweise darauf, dass die Terrormiliz IS hinter der Tat steckt. Ministerpräsident Yıldırım sprach von einem "abscheulichen, geplanten Terrorakt". Die türkische Polizei fahndet nach Hintermännern der Tat.

In der Türkei hat es im vergangenen Jahr mehrere brutale Anschläge gegeben. Zu einigen bekannte sich die IS-Miliz, gegen die die Türkei im Rahmen der US-geführten Allianz kämpft. Andere Anschläge werden kurdischen Extremisten zugeschrieben.

Türkei
:Der Terror begann in Suruç

Der Anschlag auf den Istanbuler Flughafen ist der jüngste einer ganzen Reihe von Terrorattacken in der Türkei. Alles begann in einer kleinen Stadt an der Grenze zu Syrien. Ein Rückblick.

Von Deniz Aykanat

Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte, das Attentat am Flughafen in Istanbul müsse ein Wendepunkt im weltweiten Kampf gegen den Terrorismus sein. "Die Bomben, die heute in Istanbul explodiert sind, hätten in jedem Flughafen, in jeder Stadt auf der ganzen Welt detonieren können."

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