SZ-Serie: Der Weg nach Berlin:"Ich geh' halt nicht damit hausieren"

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Barocke Statur, rosige Wangen, Gebirgsschützen-Montur - zumindest manchmal: Alexander Radwan sieht aus wie der idealtypische CSU-Politiker. Doch wenn Forderungen laut werden, die Partei brauche mehr Personal mit ausländischen Wurzeln, amüsiert sich der passionierte Wirtschaftspolitiker, der mit zweitem Vornamen "Gamal" heißt. Aber eher so im Stillen.

Von Ulrike Heidenreich

Politiker "sind doch alle gleich", lautet das Pauschalurteil vieler Deutscher. Sind sie nicht. Die Süddeutsche Zeitung begleitet bis zur Bundestagswahl 2013 sieben Menschen aus sieben Parteien auf ihrem Weg in die Politik - Fehler, Rückschläge und Niederlagen inklusive.

Wenn irgendwo im Bayernland ein Herrgottsschnitzer ein Holzbild von einem idealen CSU-Politiker anfertigen müsste, sähe dies sicher ein bisschen so aus wie Alexander Radwan. Barock die Statur, rosig die Wangen von der frischen Luft am Tegernsee. Tritt Radwan, 48, bei feierlichen Anlässen in seiner Gebirgsschützen-Montur an, sitzt ihm der Stopselhut so angegossen auf dem Schädel, als sei er damit auf die Welt gekommen.

Beim "Jägerwirt" in Aufhofen haben sie ihn am Freitag zu ihrem Bundestagskandidaten gemacht. Offiziell nominiert mit 131 Delegierten, einem Wahlausschuss, Schweinebraten, Bier und allem, was dazu gehört. Was aber die wenigsten im Saale wissen: Sie haben soeben einen Kandidaten mit lupenreinem Migrationshintergrund gewählt.

Denn Herr Radwan heißt mit vollem Namen Alexander Gamal Radwan. Gamal ist ein arabischer Vorname. Und die Endung "-wan" ist nicht irgendein, über die Jahrhunderte abgeschliffenes Übrigbleibsel eines urtümlichen Wanningers oder ähnlichem. Radwan ist ein ägyptischer Familienname.

Alexander Gamal Radwan gluckst amüsiert, wenn man ihm draufkommt. Auf sein kleines Geheimnis, das aber gar keines sein soll, wie er betont. "Ich geh' halt nicht damit hausieren", sagt der neue Kandidat des Bundeswahlkreises Starnberg. Sein Vater ist gebürtiger Ägypter, römisch-katholisch, seit 1974 eingebürgert, seit Jahrzehnten CSU-Mitglied.

Zu Hause bei den Radwans am Tegernsee, wo die bayerische Mutter herkommt, sei die Politik immer präsent gewesen am Esstisch. Daher rührt wohl die Leidenschaft für Politik, die seit 1989 währt, als der junge Radwan Chef der Jungen Union Miesbach wurde.

Alexander Radwan wolle sich nicht zum Quotenmenschen "für die eine oder die andere Seite" machen, begründet er seine Zurückhaltung. Darum erscheint der Gamal auf keiner Webseite, keiner Visitenkarte. "Wenn manchmal aber kritisiert wird, die CSU habe keine Politiker mit Migrationshintergrund, amüsiert mich das natürlich", sagt er.

Und während sich die CDU gerade verordnet hat, den Anteil der Politiker mit ausländischen Wurzeln in der Führung zu verdoppeln, um attraktiver für Wähler mit Migrationshintergrund zu werden, ist Gamal Radwan schon längst im dunkelgrünen Jackett bei den Delegierten im "Jägerwirt" eingelaufen. Das Wirtshaus liegt einsam unter Nebelschwaden, inmitten vereister Felder. Von der Saaldecke hängen vier riesige Adventskränze herab.

Gerade spricht dort Ilse Aigner, die Bundesministerin, die nach Bayern zurückkehren will und mit Radwan deshalb die Stimmkreise tauscht. Sie übernimmt seinen Landtagsstimmkreis Miesbach und geht ins Maximilianeum, er soll im Gegenzug nach Berlin ziehen. "Aus vollem Herzen" empfiehlt sie den Delegierten Alexander Radwan: "Er ist eine anerkannte Persönlichkeit, nicht nur in Brüssel."

Der Miesbacher Landrat Jakob Kreidl preist den ehemaligen Europa-Abgeordneten als "kompetent, erfahren, durchsetzungsfähig". Später wird Radwan 126 von 131 Stimmen bekommen. Zwei Stimmzettel sind ungültig, auf zweien steht "Nein" und auf einem "Dr. Edmund Stoiber". Gelächter im Saal.

Zuvor hatte der Kandidat lange über den Schuldenschnitt und die Euro-Krise gesprochen: "Wie gehen wir mit dem Kapitalmarkt um? Das wird mich in Berlin beschäftigen." Die Wirtschaftspolitik ist seine Passion. In Rage bringt es ihn aber auch, "wie desaströs" Europa nach dem arabischen Frühling agiere: "Wir sind sprachlos unseren direkten Nachbarn gegenüber."

Arabisch hat ihm sein Vater übrigens nie beigebracht. Das bedauert Radwan und will es demnächst lernen, vielleicht in einem Fernstudienkurs. Aus der Distanz also.

© SZ vom 03.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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