Syrien-Flüchtlinge in Deutschland:Friedrichs schwache Geste

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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (Mi., CSU), Niedersachsens Migrationsbeauftragte Doris Schröder-Köpf (3.v.l, SPD) und Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (2.v.l, SPD) begrüßen Flüchtlinge aus Syrien am Flughafen Hannover. (Foto: dpa)

Den Gräueln in Syrien Einhalt gebieten, aber bitte ohne uns. Das war bisher die Haltung Deutschlands. Jetzt begrüßt Innnenminster Friedrich doch noch die ersten Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland, immerhin. Doch die Begrenzung auf wenige Tausend Menschen nimmt der großen Geste die Wirkung.

Ein Kommentar von Joachim Käppner

In einer pluralen Gesellschaft ist es unvermeidlich, Menschen zu begegnen, deren Lebensweise, Ideologie oder Religion man seltsam, falsch oder sogar abstoßend findet. Das muss und kann jeder aushalten. Wer es partout nicht erträgt, ist auf nicht tolerierbare Weise intolerant - oder so unsicher, dass er Angst hat, im eigenen Glauben sofort erschüttert zu werden.

Ein muslimisches Mädchen, deren Eltern strenge Kleidervorschriften für ein Gebot des Islams halten, muss es hinnehmen, wenn andere freizügiger herumlaufen. Auch im schulischen Schwimmunterricht. Umgekehrt müssen sich die anderen daran gewöhnen, wenn das Mädchen beim Baden einen "Burkini" trägt. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht dazu ist richtig, sie bringt die Religionsfreiheit auf ihr richtiges Maß.

Ein Gericht kann allerdings nur den rechtlichen Rahmen klären, das Zusammenleben in der Praxis wird konfliktreich und mühsam bleiben. Toleranz muss man üben, und das ist gar nicht so leicht. Besteht nicht die Gefahr, dass Mitschüler das Mädchen hänseln werden? Oder dass die muslimischen Eltern ihr Kind ganz von der Schule abmelden und es, wenn möglich, in eine islamische Privatschule schicken? Sobald ein Konflikt zum Prinzipienstreit aufgeblasen wird, bleibt leider nur noch wenig Raum für Verständigung und für pragmatische Lösungen.

Es wirkt dann so, als könne es nur einen Gewinner und einen Verlierer geben: die Mehrheit oder die Minderheit. Den Islam oder die Christen. Die Multikulti-Anhänger oder die Verteidiger des Abendlands. Doch die Idee der Toleranz hat mit einer solchen Logik von Sieg und Niederlage nichts zu tun. Sie zielt darauf, den anderen gewähren zu lassen und ihm auch dann Respekt zu zeigen, wenn man dessen Art zu leben ablehnt und vielleicht sogar als Zumutung empfindet. Die Idee der Toleranz verlangt, Institutionen, die für alle da sind (wie die Schule), so einzurichten, dass alle zu ihrem Recht kommen können. Und die Glaubensfreiheit begründet eben nicht das Recht, verschont zu werden von der Konfrontation mit Menschen, die anders sind als man selbst. Das betrifft wohlgemerkt nicht nur einseitig die Muslime. Es gilt für wirklich alle. Nicht minder bedeutsam ist deshalb die Entscheidung des Gerichts im Falle eines Siebtklässlers, dessen Eltern sich dagegen wehrten, dass der Film "Krabat" im Unterricht gezeigt wurde. Die Familie gehört den Zeugen Jehovas an; der Film widerstrebt ihnen, weil darin schwarze Magie eine Rolle spiele.

Die Schule darf Kinder nicht indoktrinieren. Aber ihnen die Vielfalt der Welt vorzuführen und sich dabei nicht den Tabus einer bestimmten Gruppe zu unterwerfen - das ist ihre Aufgabe. Mit Unterschieden muss sie möglichst gelassen umgehen. Das betrifft übrigens auch den Streit ums Kopftuch. Eine Lehrerin, die ein Kopftuch trägt, kann gut und tüchtig sein. Solange sie die Schüler nicht missioniert, sollte ihnen der Anblick einer Frau mit Kopftuch genauso zumutbar sein wie einem Mädchen der Anblick von Jungs in Badehose.

© SZ vom 12.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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