Syrien:Ärzte in Aleppo richten verzweifelten Appell an US-Präsident Obama

Lesezeit: 2 min

Verletzte in einem Krankenhaus in Aleppo (Foto: REUTERS)
  • Ohne einen ständigen Versorgungskorridor werde sich der Hunger weiter ausbreiten, und die Vorräte der Krankenhäuser gingen vollends zu Ende, warnten die Ärzte.
  • In ihrem Brief an Obama beklagten die Ärzte, sie hätten "keine Bemühungen seitens der USA gesehen, die Belagerung aufzuheben".
  • Der Chef der UN-Hilfsoperationen, Stephen O'Brien, sagte, es sei eine 48-stündige Feuerpause nötig, um die benötigten Hilfsgüter in die Stadt zu bringen.

In einem verzweifelten Appell an US-Präsident Barack Obama haben Ärzte in der umkämpften syrischen Stadt Aleppo ein sofortiges Eingreifen der USA gefordert. "Uns helfen nun keine Tränen mehr, kein Mitleid und nicht einmal Gebete, wir benötigen Ihr Handeln", heißt es in dem Brief, der von 15 der 35 noch praktizierenden Ärzte in dem von Rebellen kontrollierten Osten Aleppos unterzeichnet wurde.

Ohne einen ständigen Versorgungskorridor werde sich der Hunger weiter ausbreiten, und die Vorräte der Krankenhäuser gingen vollends zu Ende, warnten die Ärzte. Sie schilderten dramatische Zustände in den Krankenhäusern der Stadt. "Was uns als Ärzte am meisten schmerzt, ist, dass wir Entscheidungen darüber treffen müssen, wer weiterleben soll und wer stirbt", heißt es in dem Brief. "Manchmal werden kleine Kinder bei uns eingeliefert, die so schwere Verletzungen haben, dass wir jene vorziehen müssen, die bessere Überlebenschancen haben."

"Patienten, Freunde und Kollegen starben qualvolle Tode"

Als Ärzte hätten sie miterleben müssen, "wie zahllose Patienten, Freunde und Kollegen gewaltsame und qualvolle Tode starben". Die Detonationswellen einer Explosion hätten vor zwei Wochen die Sauerstoffzufuhr zu einem Brutkasten gekappt, vier Neugeborene seien gestorben, "bevor ihr Leben richtig begonnen hatte". Erst am Mittwoch sind nach Angaben eines Krankenhauses bei einem Gasangriff vier Menschen gestorben. Weitere 55 hätten Verletzungen der Atemwege erlitten, sagte der Chef des Al-Kuds-Hospitals in Aleppo, Hamsa Chatib. Die Behälter mit dem Gas, bei dem es sich vermutlich um Chlor handle, seien am Mittwoch zusammen mit Fassbomben über einem Viertel der Stadt abgeworfen worden.

In ihrem Brief an Obama beklagten die Ärzte, sie hätten "keine Bemühungen seitens der USA gesehen, die Belagerung aufzuheben oder ihren Einfluss zu nutzen, die Kampfparteien zum Schutz von Zivilisten zu bewegen". Sie appellierten an den Präsidenten: "Zeigen Sie, dass Sie ein Freund des syrischen Volkes sind!"

Die Rebellen kontrollieren in Aleppo seit dem Sommer 2012 mehrere Viertel im Osten, in denen nach verschiedenen Schätzungen noch 250 000 bis 275 000 Menschen leben. Die Regierungstruppen hatten Mitte Juli den Belagerungsring um die Viertel der Rebellen geschlossen. Doch es gelang den Rebellen kürzlich, das Viertel Ramussa zurückzuerobern und damit die Belagerung zu durchbrechen.

Zweifel an Feuerpausen: "Wir brauchen 48 Stunden"

Russland hat am Mittwoch eine tägliche dreistündige Feuerpause für Aleppo angekündigt, damit Hilfsgüter für die eingeschlossene Zivilbevölkerung in den Ostteil der Stadt gebracht werden können. Die Kampfunterbrechungen sollen am Donnerstag beginnen und jeweils von 10 bis 13 Uhr andauern, sagte Generalleutnant Sergej Rudskoi vom russischen Verteidigungsministerium auf einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz. In dieser Zeit würden "alle militärischen Aktionen, Luft- und Artillerieangriffe gestoppt".

Schon jetzt gibt es aber Meldungen, dass die Feuerpause nicht eingehalten werde. Die Regierungstruppen versuchten, im Viertel Ramusah voranzukommen, sagte der Sprecher einer Rebellengruppe am Donnerstag. Demnach greifen russische Kampfflugzeuge sogar verstärkt an. Auch ein Zeuge nahe des Frontverlaufes berichtete, nach Beginn der Feuerpause sei es am Vormittag zu Gefechten gekommen. Schon zuvor hatten sich die Rebellengruppen skeptisch zu dem russischen Vorschlag geäußert. "Was sind drei Stunden? In diesen drei Stunden werden sie nur (die Rebellenstadt) Idlib bombardieren", sagte ein Vertreter der Rebellen.

Der Chef der UN-Hilfsoperationen, Stephen O'Brien, sagte, er sei bereit, den russischen Plan in Betracht zu ziehen. Allerdings sei eine 48-stündige Feuerpause nötig, um die benötigten Hilfsgüter in die Stadt zu bringen. "Wenn wir drei Stunden angeboten bekommen, muss man fragen, was können wir in diesen drei Stunden erreichen", sagte er vor Journalisten. Gehe es darum, den Bedarf an Hilfsgütern zu decken oder nur einen sehr kleinen Teil? Notwendig seien eine zweispurige Straße und 48 Stunden Zeit, um genügend Lastwagen in die Stadt zu bekommen.

Die USA erklärten, sie würden jede Unterbrechung der Kämpfe begrüßen, um humanitäre Hilfe in die Stadt zu bekommen. Die Feuerpause müsse aber von allen Konfliktparteien eingehalten werden.

© SZ.de/AFP/Reuters/dayk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusUnicef-Mitarbeiterin Hanaa Singer über Aleppo
:"Das Leid ist unbeschreiblich groß"

In Aleppo harren 1,5 Millionen Menschen ohne Strom und sauberes Wasser aus - bei Temperaturen bis zu 40 Grad. Das Deprimierende: Hilfe wäre möglich, sagt Hanaa Singer vom Kinderhilfswerk Unicef.

Von Moritz Baumstieger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: