Südafrika-Reise des US-Präsidenten:Obama besucht das falsche Paradies

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Obama bei seiner Ankunft in Kapstadt am Sonntag. (Foto: Reuters)

In Südafrika zollt US-Präsident Barack Obama nicht nur dem Lebenswerk Nelson Mandelas Tribut, vor Studenten in Soweto schwärmt er auch von den großartigen Perspektiven des afrikanischen Landes. Doch nur wenige Kilometer entfernt zeigt sich, wie weit weg seine Worte von der südafrikanischen Wirklichkeit sind.

Von Tobias Zick, Johannesburg

Es sind zwei Großereignisse von Weltrang, die an diesem Samstag in Soweto aufeinandertreffen, aber die Handlungsstränge wollen nicht so recht zusammenlaufen. In der Vilakazi Street, der Vorzeigestraße der größten einstigen Township von Südafrika, wäscht und poliert ein junger Mann einen Kleinwagen, aus den offenen Türen wummert HipHop-Musik, die Sonne strahlt.

Dann knattert am Himmel ein Militärhubschrauber heran, übertönt für einen Moment die Musik, ein Vorbote des hohen Besuchs, der am Nachmittag in der Gegend erwartet wird: US-Präsident Barack Obama spricht an der Universität von Soweto, einem der symbolträchtigsten Orte für die Überwindung der Apartheid, zur jungen Generation Südafrikas. Der junge Mann nimmt das freundlich zur Kenntnis, er beugt sich über einen Fleck auf der Motorhaube, wienert mit verstärkter Kraft darüber.

"Inzwischen sieht man doch, dass Obama ein Präsident wie jeder andere ist", sagt er. Er heißt Trevor Mkhabela, ist 25 Jahre alt und arbeitslos; das Auto gehört einem Bekannten, mit dem Waschen und Polieren verdient er sich ein paar Rand. "Sein Besuch ändert für unser Land nichts. In Amerika wird er verehrt, weil er deren erster schwarzer Präsident ist. Aber wir selbst hatten unseren ersten schwarzen Präsidenten schon vor fast zwanzig Jahren."

"Unser Soweto ist die Hölle"

Der heißt Nelson Mandela, ist 94 Jahre alt und hat einst im Haus gegenüber gewohnt, es ist heute ein Museum, und Mandela ringt gut 80 Kilometer entfernt in einem Krankenhaus der Hauptstadt Pretoria mit dem Tod. Inzwischen ist bekannt geworden, dass Mandelas Atem und Herzschlag an einer Maschine hängen, und über die Entscheidung, wie lange er noch auf diese Weise künstlich am Leben erhalten wird, ist unter Familienmitgliedern und Funktionären der Regierungspartei ANC eine Debatte entbrannt. "Sie sollen ihn in Würde gehen lassen", sagt Trevor Mkhabela, so sehen es viele hier.

Obama besuchte auch die Gefängniszelle auf Robben Island, in der Nelson Mandela 18 Jahre lang lebte. (Foto: Reuters)

Einige Kilometer weiter, vor der Universität von Soweto, wo der US-Präsident erwartet wird, protestieren ein paar Dutzend junge Menschen: gegen die Unterdrückung von Muslimen durch die mit den USA verbündete äthiopische Regierung, gegen die Drohnen-Einsätze über Pakistan und Somalia. Eine Botschaft, die mit Südafrika zu tun hat, reckt eine Frau auf einem Pappschild in die Höhe: "Unser Soweto ist die Hölle, ihr Soweto ist das Paradies." Sie sagt, sie komme aus einem Teil der Township, wenige hundert Meter entfernt, in dem die Menschen weiterhin im Elend lebten. "Wir wollen Obama zeigen, dass das herausgeputzte Soweto, das er entlang der Hauptstraßen sieht, nicht die Realität in diesem Land repräsentiert."

Später bittet einer der Begleiter der Frau zum Rundgang durch das Viertel, es ist benannt nach Elias Motsoaledi, einem früheren Weggefährten Mandelas. Einige Minuten zu Fuß an der Hauptstraße entlang, bis zur Ruine einer niedergebrannten Filiale der US-Fastfood-Kette "Kentucky Fried Chicken", im April haben hier mehrere Hundert Bewohner der Gegend ihrem Zorn über die Regierung Luft gemacht.

"Auf keinen Fall aufdringlich sein"

Ein paar Schritte weiter tut sich der Blick in die Gründe für den Zorn auf: Wellblechhütten, kein Strom, kein fließendes Wasser, ein Abwasser-Bach mäandert durch eine Wiese. "Mandela ist für mich wie ein Vater", sagt der junge Mann, Andreas Andile, 27 Jahre alt und arbeitslos, "aber was die korrupten Eliten des ANC heute repräsentieren, das müssen wir bekämpfen. Sie verraten unsere Generation." Der Campus, auf dem Barack Obama zu jubelnden Zuhörern spricht, ist Welten entfernt.

Aus der historischen Begegnung des ersten afroamerikanischen US-Präsidenten mit dem ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas ist nichts geworden, er wolle "auf keinen Fall in irgendeiner Weise aufdringlich sein, während die Familie sich um Nelson Mandelas Zustand sorgt", hat Obama erklärt.

Den jungen Zuhörern an der Universität ruft er zu, sie sollten sich ein Beispiel an Mandela nehmen: "Die Zukunft des Kontinents liegt in euren Händen". Und erklärt, dass seine Regierung große Pläne für eine blühende wirtschaftliche Zukunft mitbringe: Man wolle in Afrika "iPads und Flugzeuge verkaufen."

iPads und Flugzeuge? Andreas Andile wäre zunächst für einen Job und einen Stromanschluss dankbar.

© SZ vom 01.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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