Suche nach Atommüll-Endlager:Warten im Wendland

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Immer ist eine Klärung zum Greifen nahe, aber nie kommt sie zustande: Umweltminister Altmaier agiert in den Verhandlungen um ein Atommüll-Endlager nur sehr zögerlich. Dabei sind die Voraussetzungen für ein wirklich offenes Suchverfahren günstig wie nie. "Altmaier kann mit dem Thema eigentlich nur gewinnen", sagt selbst die Opposition.

Michael Bauchmüller, Berlin

"Umgehend", genau so hat das Peter Altmaier gesagt. "Umgehend" wolle er die Gespräche über die Zukunft des deutschen Atommülls wieder aufnehmen. Seit vier Monaten, seit den ersten öffentlichen Äußerungen des neuen Bundesumweltministers von der CDU, steht dieses Wort im Raum. Passiert ist wenig.

Licht ins Dunkel: Umweltminister Altmaier im Schacht Asse. (Foto: dpa)

Sechs Wochen später lud er SPD-Chef Sigmar Gabriel und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin in seine Küche ein, es gab Wraps und Diskussionen. Danach: Funkstille. Wieder sechs Wochen später stellte Altmaier seinen "Zehn-Punkte-Plan" vor, Punkt 3: "Nukleare Entsorgung im Konsens regeln". Bis Ende September, so schrieb er darin, wolle er ein Endlagersuchgesetz vorlegen.

Sechs Wochen später ist Ende September, aber weder gibt es ein Endlagersuchgesetz noch irgendwelche Gespräche über einen Konsens. "Ich gehe davon aus, dass wir im Oktober zu einer Klärung kommen", hat er am Dienstag der Braunschweiger Zeitung gesagt. So oder ähnlich allerdings klingen die Aussagen schon seit Monaten. Immer ist eine "Klärung" zum Greifen nahe, nie aber kommt sie zustande.

Tatsächlich hatte Altmaiers Vorgänger Norbert Röttgen (CDU) in fünf Gesprächsrunden so gut wie alle Steine aus dem Weg geräumt. Das neue Gesetz sollte Schluss machen mit der Fokussierung auf das Projekt Gorleben, erstmals sollte es den Weg frei machen für ein transparentes, wirklich offenes Suchverfahren. Nach 35 Jahren sturen Festhaltens an dem Salzstock im Wendland wäre es ein Befreiungsschlag gewesen. Dann aber zerstörte die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Röttgens Karriere - kurz vor dem Durchbruch.

Altmaier hadert - und zerrt damit am Gedultsfaden anderer

Warum ausgerechnet Altmaier nun mit dem Projekt hadert, der doch als Brückenbauer und Meister des Kompromisses angetreten ist, darüber rätselt mittlerweile der politische Gegner genauso wie der Koalitionspartner. "Ich weiß auch nicht, warum da nichts passiert", sagt FDP-Generalsekretär Patrick Döring. "Wir wären bereit." Ähnlich klingt das bei Grünen und SPD. "Dass bei Merkel und Altmaier an einer Einigung intensiv gearbeitet wird, ist ein Märchen", sagt Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Der Rest ist Warten.

Vorvergangene Woche riss Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) der Geduldsfaden. Er schrieb an Altmaier: "Mit diesem Schreiben möchte ich Sie dringend bitten und auffordern, die Verhandlungen zum Endlagersuchgesetz wieder aufzunehmen." Nur noch eine Runde sei nötig, schrieb Kretschmann. "Leider sind Ihren diesbezüglichen Ankündigungen bislang keine Taten gefolgt." Deshalb bleibe nun nur noch "ein enges Zeitfenster, die Gespräche abseits der beginnenden Wahlkämpfe zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen".

Wohl wahr. Schon jetzt ließe sich das eigentliche Gesetzgebungsverfahren, das unmittelbar nach einer Einigung anstünde, kaum noch aus der heißen Phase des Niedersachsen-Wahlkampfes heraushalten. Dort aber ist gerade das Thema Gorleben besonders umstritten, sowohl der SPD-Spitzenkandidat als auch die Landes-Grünen wollen das Kapitel endgültig schließen - sehr zum Unbehagen der jeweiligen Bundespartei.

Fraglich ist auch, ob viel Zeit für die geplante Beteiligung der Öffentlichkeit bleibt. Ursprünglich war dafür eine Veranstaltung zwischen Einigung und Gesetzgebung vorgesehen. Ohnehin ist die Genese des Gesetzes, das doch neue Dimensionen der Bürgerbeteiligung eröffnen soll, an Intransparenz bisher schwer zu überbieten.

Das Umweltministerium selbst weist auf die komplexe Materie hin, die Fingerspitzengefühl verlange. Was aber nach außen dringt, klingt anders. Demnach ist im Wesentlichen strittig, wie das Suchverfahren behördlich organisiert wird. Weil es dabei um Macht, Kontrolle und Vertrauen geht, ist das zwar keine ganz triviale Frage. Aber gemessen am jahrzehntelangen Streit über Gorleben ist es auch keine unüberwindliche Hürde - was Altmaier selbst ähnlich sieht. "Altmaier kann mit dem Thema eigentlich nur gewinnen", heißt es selbst aus der Opposition. Wenn er denn will.

© SZ vom 26.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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