Stuttgart 21: Treffen im Rathaus:Die Front bröckelt

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Zweiter Gang am Runden Tisch: Am Ende des ersten Verhandlungstages kann Schlichter Heiner Geißler verkünden, dass die Schlichtung weitergeht. Doch nicht alle Gegner wollen das mittragen.

Thorsten Denkler, Stuttgart

Stefan Mappus lässt sich Zeit. Mit fast 15-minütiger Verspätung erscheint der CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg gegen 10:45 Uhr im vierten Stock des Stuttgarter Rathauses.

Der erste Erfolg für den Schlichter: Heiner Geißler hat Politik und Zivilgesellschaft an einen Tisch gebracht. (Foto: REUTERS)

Ein paar der üblichen Floskeln spricht er in die Mikrofone. Etwas von "Versachlichung der Diskussion" und dass jetzt "die Fakten auf den Tisch kommen" müssten. Es war vorher noch spekuliert worden, dass Mappus seiner Umweltministerin Tanja Gönner bei diesem ersten Treffen zwischen Befürwortern und Gegnern des Bahnhofsprojektes Stuttgart 21 den Vortritt lassen würde. Aber irgendjemand wird ihm vermittelt haben, dass es klüger sein könnte, hier und heute Flagge zu zeigen.

Was das aber genau ist, was da an diesem Morgen in den Sitzungsräumen 402 bis 405 passiert, das ist noch nicht klar. Ist es schon eine Schlichtung? Eine Sondierung? Nur ein Erstgespräch? Oder ein Auftaktgespräch? Oder vielleicht auch nur ein Mal-schauen-was-die-anderen-so-sagen-Treffen?

Nach dem Säbelrasseln der vergangenen Tage nämlich dürfte es dieses Treffen gar nicht geben. Die Projektgegner vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 hatten erst am Abend vorher diesem Treffen zugestimmt. Schlichter und Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler hat offenbar sein ganzes Geschick eingebracht, um das Treffen noch diese Woche möglich zu machen.

Vorher hatten die Gegner immer wieder klar gemacht, dass sie nur in Schlichtungsgespräche einsteigen würden, wenn es einen klar erkennbaren Baustopp rund um den umstrittenen Bahnhofsneubau geben würde. Bei dieser Haltung bleibt es auch grundsätzlich, weshalb diese Gespräche jetzt nicht Schlichtungsgespräche genannt werden dürfen, denn von einem umfassenden Baustopp kann nicht die Rede sein.

Bevor es zu einer echten Schlichtung kommen könne, müssten nämlich auch die Arbeiten am sogenannten Grundwassermanagement eingestellt werden, so die Forderung der Gegner. Zuletzt ging es dabei um so haarige Details, ob die Stelzen für eine Betonplatte für ein Filtersystem in den Boden eingelassen werden dürfen. Die sind nötig um im grundwasserreichen Tal-Kessel von Stuttgart überhaupt irgendetwas bauen zu können. Die Projektgegner lehnen das bisher ab.

Nur der Grünen-Landtagsfraktionschef Winfried Kretschmann, derzeit aussichtsreicher Kandidat auf den Posten des Ministerpräsidenten nach der Landtagswahl im kommenden März, ließ vor einigen Tagen durchblicken, dass ein Schlichtungsverfahren an solchen Petitessen nicht scheitern dürfe.

Vor der Sitzung an diesem Morgen sagte Kretschmann dazu erst mal gar nichts. Schlichter Geißler, in den beiden Seiten offenbar viele Hoffnungen stecken, auch nicht. Hannes Rockenbauch aber, einer der Sprecher des Aktionsbündnisses und Teil der siebenköpfigen Verhandlungsdelegation der Projektgegner, sagt: "Wir erwarten, dass das Land und die Bahn sich einen Schritt auf uns zu bewegen." Wie Mappus will er Fakten auf dem Tisch sehen. Aber im Gegensatz zum Regierungschef nicht, dass am Bahnhof weiter Fakten geschaffen werden. "Wir müssen diesen Knackpunkt jetzt besprechen", so Rockenbauch.

Immerhin scheint er weitere Gespräche nicht mehr vollends abzulehnen, falls die Baustopp-Forderung nicht zu 100-Prozent umgesetzt wird. Auf die Frage, ob der absolute Baustopp noch Grundvoraussetzung für weitere Gespräche sei, sagt Rockenbauch nur lapidar: "Das werden wir sehen."

Am Ende des ersten Verhandlungstages ist immerhin klar: Es wird weitergehen. Heiner Geißler durfte verkünden, dass die Gespräche am kommenden Freitag fortgesetzt werden. Und vielleicht dürfen sie künftig Schlichtung heißen, denn immerhin sagte der Schlichter Geißler: "Wir sind zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen, dass wir diese Schlichtung machen wollen."

Doch da werden dann nicht mehr alle mit am Tisch sitzen. Die Parkschützer erklärten, aus den Gesprächen auszusteigen. Als Grund nannten sie die andauernde Blockadehaltung der Projektträger. "Bahn und Politik wollen die Bevölkerung mit Angeboten abspeisen, die unannehmbar sind", sagten die Aktivisten.

Immerhin soll von Freitag an über Sachthemen gesprochen werden. Und das öffentlich.

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