Streit zwischen Steinbrück und Gabriel:Furcht vor dem Bruderkampf

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Gabriel und Steinbrück auf dem SPD-Parteikonvent  (Foto: dpa)

Der Kanzlerkandidat nimmt es gelassen, der SPD-Chef ist tief verletzt. Nach Steinbrücks Vorwurf der Illoyalität gegenüber Gabriel fürchten einige in der Partei nun ein ähnliches Debakel wie bei der Bundestagswahl 2009, als sich die Sozialdemokraten in Missgunst verstrickten. Und das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte erzielten.

Von Susanne Höll, Berlin

Über das Wetter hat SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles im Willy-Brandt-Haus in Berlin noch nie so viel gesprochen wie am Montag. Über politisches Wetter, versteht sich. Den Streit von Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mit dem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel verglich Nahles mit Blitz und Donnerschlag. "Es ist manchmal schwül, und dann gibt es ein Gewitter", sagte sie. Und suchte den Eindruck zu erwecken, jetzt sei die Luft gereinigt, und die Sonne könne wieder strahlen. So ein Krach komme in den besten Familien vor, die "grundsätzliche Zusammenarbeit" in der Spitze sei davon nicht berührt. "Das ist jetzt erledigt", sagt sie.

Viel spricht allerdings dafür, das in der SPD-Spitze nun ein alles andere als heiteres Klima herrscht. Gabriel ist tief verletzt von Steinbrücks Vorwurf der Illoyalität und kann, wie andere namhafte SPD-Politiker, nicht verstehen, warum Steinbrück ihn ausgerechnet vor dem Parteitag am Sonntag solcherart in den Senkel stellen musste. Ob die beiden seither ein klärendes, längeres persönliches Gespräch unter vier Augen führten, lässt sich nicht ergründen. Für Steinbrück, so ist zu hören, ist die Sache nach seinem, wie er sagt "Weckruf" angeblich ausgeräumt. Für andere in der SPD-Führungsmannschaft ist das allerdings nicht der Fall. Im Gegenteil.

In manch einem stiegen am Wochenende die Bilder und Szenen aus der schlimmen Zeit vor der letzten Bundestagswahl wieder hoch. Damals verstrickten sich die Sozialdemokraten zunächst in Misstrauen und Missgunst, dann in Rivalitäten und schließlich in einen regelrechten Bruderkampf. Der damalige Parteivorsitzende Kurt Beck warf sein Amt im Spätsommer 2008 gequält und gedemütigt hin. Bei der Wahl 2009 musste die Partei mit 23 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis im Bund einstecken. So ein Fiasko, das hatten die Sozialdemokraten sich und anderen damals geschworen, wolle und werde man nie wieder provozieren.

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Wann schafft die SPD endlich die Wende? Das fragen sich derzeit viele Genossen. Der Wahlkampf mit Peer Steinbrück kommt nicht so richtig in Schwung, Panne reiht sich an Panne und die Union liegt in der Wählergunst deutlich vorne. Auch ein neuer Sprecher für den Kanzlerkandidat brachte keine Verbesserung, sondern nur weitere Probleme.

Einer, der die Vorgänge damals aus der Nähe verfolgte und heute einen recht guten Einblick in die Geschehnisse hat, sagt besorgt: "Ich fühle mich sehr an diese Zeit erinnert." Generalsekretärin Nahles möchte dieser Tage lieber nicht über die Ereignisse vor vier Jahren sprechen. Auf die Frage, was denn eigentlich das Klima in der Führungsmannschaft heutzutage von dem im Jahr 2008 unterscheide, antwortet sie: "Es gibt aus meiner Sicht jetzt eine gute und offene Zusammenarbeit, Konflikte werden schnell angesprochen und geklärt."

Der öffentliche Rüffel Steinbrücks an Gabriel zeugt allerdings davon, dass die Zusammenarbeit so gut und vertrauensvoll nun wirklich nicht sein kann. Zumal Nahles zu erkennen gibt, dass sich das Unheil in den vergangenen Wochen erkennbar zusammengebraut hatte und offenkundig niemand in der Lage war, Ärger und Meinungsverschiedenheiten rechtzeitig beizulegen. Sie jedenfalls sei nicht von dem Eklat überrascht worden, sagt die Generalsekretärin.

Steinbrücks Intervention wertet Nahles als Signal, dass die SPD im Wahlkampf in die Offensive gehen und den Gegner angreifen müsse - die schwarz-gelbe Koalition. Viele Sozialdemokraten würden das gern tun. Aber sie sind derzeit damit beschäftigt herauszufinden, was in ihrer Spitzenmannschaft eigentlich vor sich geht und müssen ihren Wählern ziemlich unangenehme Fragen nach dem Zustand der ältesten Partei Deutschlands beantworten. Von der SPD möchte man in diesen Tagen wissen, wie es denn wirklich um das Verhältnis des Parteivorsitzenden zum Kanzlerkandidaten steht. Mindestlohn, kostenlose Kitas und Mietpreisbremse sind derzeit nicht so interessant.

Dieses Dilemma ist auch den Protagonisten im Willy-Brandt-Haus bewusst. Kommende Woche werden die Bundestagsabgeordneten das letzte Mal vor den Sommerferien in Berlin sein. Sie will man mit einem möglichst guten Gefühl in die Ferien und den ohnehin schwierigen Wahlkampf schicken. Dazu gehört auch ein halbwegs überzeugender Beweis dafür, dass der Kandidat und der Vorsitzende noch in der Lage sind, die letzten gut 90 Tage bis zum 22. September miteinander auszuhalten. Gut möglich, dass die beiden in den nächsten Tagen gemeinsam in der Öffentlichkeit auftreten oder sich äußern. Ein moderierter Talk auf offener Bühne, so wie das in der SPD hochgelobte Gespräch zwischen Steinbrück und seiner Frau Gertrud auf dem Parteitag am Sonntag in Berlin, ist allerdings nicht geplant.

© SZ vom 18.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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