SPD-Spitzenkandidat gegen Parteichef:Steinbrück greift Gabriel an

Nach einer Unstimmigkeit in der Fraktionssitzung greift Kanzlerkandidat Steinbrück in einem Interview seinen Parteivorsitzenden Gabriel an und wirft ihm indirekt mangelnde Loyalität vor.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat seinem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel indirekt mangelnde Loyalität und Unterstützung unterstellt. "Nur eine Bündelung aller Kräfte ermöglicht es der SPD, die Bundesregierung und Frau Merkel abzulösen", sagte Steinbrück dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel laut Vorabmeldung von diesem Samstag.

"Ich erwarte deshalb, dass sich alle - auch der Parteivorsitzende - in den nächsten 100 Tagen konstruktiv und loyal hinter den Spitzenkandidaten und die Kampagne stellen", so der Spitzenkandidat weiter.

Hintergrund sind Vorfälle bei der Sitzung der Bundestagsfraktion am Dienstag. In der Sitzung begann Gabriel laut Spiegel-Vorab eine kritische Diskussion und stellte sich in einer Abstimmung zum Thema Bankenunion nach dem Empfinden Steinbrücks gegen ihn. "Situationen wie am vergangenen Dienstag in der Fraktion dürfen sich nicht wiederholen", sagte Steinbrück dem Spiegel.

Hintergrund sind Vorkommnisse bei der Sitzung der Bundestagsfraktion am Dienstag, wo Gabriel sich nach Steinbrücks Lesart gegen ihn gestellt habe. Dabei ging es um die Haltung zu den Vorschlägen der schwarz-gelben Bundesregierung für die Schaffung einer europäischen Bankenunion. Die Europäische Zentralbank soll in Zukunft rund 150 Institute direkt überwachen, davon etwa 25 in Deutschland. Steinbrück warb für ein Ja, zehn Abgeordnete waren dagegen.

Nach Teilnehmerangaben hatte Gabriel in der Sitzung unabgesprochen seinem Unmut über den schleppenden Wahlkampf Luft gemacht. Er rief demnach die Parlamentarier dazu auf, im Wahlkampf mit aller Kraft um Stimmen zu werben. Solche Ratschläge seien nicht nötig, hätten einige Abgeordnete gerügt. Das wiederum habe Gabriel und andere Abgeordnete geärgert, die sich vor Lethargie im Wahlkampf fürchteten. In Umfragen liegt die SPD zwischen 24 und 27 Prozent.

Keine gemeinsame Linie

Zuletzt hatten sich die öffentlichen Differenzen gehäuft. So überrumpelte Gabriel Steinbrück mit der Unterstützung eines Tempolimits von 120 km/h auf Autobahnen, was Steinbrück und Steinmeier umgehend öffentlich ablehnten. Während Steinbrück vor Polittourismus in Gummistiefeln zu den Flutgebieten warnte, kündigte Gabriel am gleichen Tag eine Reise in das Hochwassergebiet Magdeburg an. Sein Sprecher argumentierte, Gabriel habe lange dort gewohnt. Dennoch blieb der Eindruck, dass beide keine gemeinsame Linie haben.

Der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende Ralf Stegner hat Gabriel und Kanzlerkandidat Steinbrück zu Geschlossenheit im Wahlkampf ermahnt. "Unser Gegner heißt Schwarz-Gelb", sagte Stegner. "Die Partei erwartet von der gesamten Führung, dass wir jetzt geschlossen und entschlossen den Kampf aufnehmen." Das gelte auch für das entsprechende Umfeld.

Die Spannungen zwischen Steinbrück und Gabriel dürften auch den Parteikonvent belasten, mit dem die SPD am Sonntag in die letzten hundert Tage des Wahlkampfs starten will. Inhaltlich will die SPD eine Familienoffensive auf den Weg bringen. So wollen die Sozialdemokraten im Falle eines Wahlsiegs am 22. September Kinderkrippen und Kindertagesstätten für alle Eltern beitragsfrei stellen. Die Kostenbefreiung soll schrittweise erfolgen. Dies geht aus dem vorläufigen Entwurf des Leitantrags hervor, der am Sonntag vom Konvent der Partei in Berlin verabschiedet werden soll.

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