Streit um Steinbach:Merkels Schweigen

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Der Fall Steinbach zeigt, dass die Kanzlerin oft lieber nichts sagt, als Stellung zu beziehen: Sie schweigt, wo nichts mehr zu gewinnen ist.

Nico Fried

Über das Schweigen hat Angela Merkel einmal gesagt, es sei auch eine Form der Kommunikation, in die man im Übrigen viel hineininterpretieren könne.

Will eine Entscheidung in der Causa Steinbach verschleppen: Kanzlerin Angela Merkel (Foto: Foto: AP)

Tatsächlich bleibt einem bei der Kanzlerin selbst häufig gar nichts anderes übrig, weil das Schweigen eines ihrer wichtigsten Herrschaftsinstrumente ist. Selten wurde das so offensichtlich wie dieser Tage - und selten so unübersehbar zum Schaden der Kanzlerin.

Als der Papst einen Holocaust-Leugner zurück in die Kirche holte, teilte die Kanzlerin dem Vatikan ihr Unverständnis mit, öffentlich, vor laufender Kamera, unmissverständlich, geradezu ultimativ. Man kann Merkel vorwerfen, sie habe falsch gehandelt, übertrieben, unangemessen, respektlos.

Man kann ihr nicht vorwerfen, sie habe sich unklar geäußert. In diesem Fall gibt es keinen Zweifel, wo die Kanzlerin steht. Und deshalb fallen die vielen anderen Themen besonders auf, bei denen das nicht so ist.

Die Kanzlerin hat den Papst kritisiert und zum Umweltgesetzbuch geschwiegen. Jawohl, dieser Vergleich ist blanke Polemik, weil die Verantwortung für den Holocaust deutsche Staatsräson ist und das Umweltgesetzbuch nur der man-weiß-nicht-wievielte Koalitionskrach. Richtig aber ist: Merkel schweigt, wo nichts mehr zu gewinnen ist.

Sie hat den Papst kritisiert, aber zu Michael Glos und Horst Seehofer geschwiegen. Da wird's schon schwieriger, weil die Besetzung ihres Kabinetts für die Kanzlerin nicht nebensächlich sein sollte.

Nur mit viel gutem Willen kann man Merkel zugutehalten, dass sie den Papst und Seehofer nicht gleich behandeln wollte, weil der Ministerpräsident das möglicherweise gar nicht als Kritik verstanden hätte.

Merkel hat den Papst kritisiert, aber zum Fall Erika Steinbach schweigt sie - und da hört der Spaß dann auf. Der Bund der Vertriebenen will seine Präsidentin unbedingt in den Stiftungsrat für die Vertriebenen-Gedenkstätte setzen. Da kann man dafür sein oder dagegen.

Ein starker Auftritt, der die Schwächen offenbarte

Merkel aber verschanzt sich seit Monaten hinter Formalitäten und Fristen. Die Kanzlerin hat die Gedenkstätte 2005 zum Projekt der Koalition gemacht und 2008 durchgesetzt. Sie hat mit Erfolg um die Duldung durch die polnische Regierung geworben.

Nun aber lässt sie die entscheidende Frage offen, schweigt - und riskiert damit, dem deutsch-polnischen Verhältnis zu schaden, das zu schützen sie vorgibt.

Was interpretiert man hinein in diese Kanzlerin der Stille?

Großer Phantasie bedarf es nicht, um dahinter die Angela Merkel zu entdecken, die über Niederlagen genauso wenig reden mag wie über Konflikte, gelöst oder ungelöst.

Ein bemerkenswertes Paradoxon besteht jedoch darin, dass Merkel selbst diesmal mit ihrem ungewöhnlichen Appell an den Papst verdeutlicht hat, was bei ihr gewöhnlich ist: nichts zu sagen.

Mit einem einzigen starken Auftritt hat sie damit zugleich eine ihrer größten Schwächen offenbart. Nach klaren Worten ist nun wieder nur Merkels gesammeltes Schweigen zu hören.

© SZ vom 18. Februar 2009/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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