Seehofers Personalpolitik:Der alte Mann und seine Jünger

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CSU-Chef Horst Seehofer arbeitet erschreckend konsequent an der Verjüngung der Partei. Jüngstes Opfer ist Michael Glos. Letztes Opfer: er selbst.

T. Denkler, Berlin

Scheint wichtig zu sein, die Sache mit der Holzhackschnitzelheizung. Zwei Fragen dazu gehen an den neuen Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. CSU-Parteichef Horst Seehofer hat ihn mitgebracht in den großen Saal der Bundespressekonferenz. Ihn, den jetzt Ex-Generalsekretär der CSU, den neuen Generalsekretär Alexander Dobrindt und dessen Stellvertreterin Dorothee Bär.

Der alte Mann und das Mehr an jungen Leuten: CSU-Chef Seehofer mit Dorothee Bär, Alexander Dobrindt und Karl-Theodor zu Guttenberg. (Foto: Foto: dpa)

Es ist eine erstaunliche Truppe, die da hinter dem raumbreiten Pult sitzt. Der Ministerpräsident von Bayern hockt da wie Großvater Seehofer, die Haare grau, den Kopf mehr zwischen als auf den Schultern, und erklärt der versammelten Presse, wie und warum er seinen Enkeln zu ungeahnten Karrieresprüngen verholfen hat.

Holzhackschnitzelheizungen im Schloss

Seit 30 Jahren macht Seehofer Politik. Er war schon Bundestagsabgeordneter als seine drei Nachwuchshoffnungen noch in die Grundschule gingen beziehungsweise - pardon - in die Windeln gemacht haben.

Fragen nach Holzhackschnitzelheizungen dürften aber auch für den alten Kämpen Seehofer Neuland sein. Nein, er wohne nicht im Schloss sondern in einem Haus neben dem Schloss, beantwortet zu Guttenberg pflichtschuldig Fragen nach seinem Wohnumfeld. Wegen der Heizkosten für das Schloss müsse deshalb sein Vater gefragt werden. Der wohne darin.

Im übrigen betreibe er, der Vater, besagte Holzhackschnitzelheizung, was ihn offenbar von russischem Gas recht unabhängig macht. Jedenfalls kann ihm jetzt keiner Befangenheit unterstellen, wenn er demnächst in seiner neuen Funktion in Moskau über Gas spricht.

Wirtschaftspolitische Fachfragen interessieren an diesem Abend nur am Rande. Verstaatlichung dürfe nur die Ultima Ratio sein, müsse alles sehr genau geprüft werden, kein abschließendes Urteil, noch mal reden. Was soll der Mann auch sagen. Er ist gerade einmal vier Stunden im Amt.

Guttenberg hat alles, was Glos nie hatte

Über seinen Vorgänger Michael Glos wird geunkt, er hätte seinen Amtsbereich bis zu seinem Rücktritt nicht richtig durchdrungen. Und der hatte dafür dreieinhalb Jahre Zeit.

Zu Guttenberg hat drei Monate. Dann jedenfalls will Seehofer mit seinem Ziehenkel wieder eine Pressekonferenz ansetzen und über die Erfolge des neuen Bundeswirtschaftsministers sprechen, verspricht der CSU-Chef.

Sein Vertrauen in zu Guttenberg scheint grenzenlos zu sein. Zu Guttenberg könne alles, was jetzt gebraucht werde: er habe hohe außenpolitische Kompetenz, genieße großes Ansehen in den USA, sei auf jedem Parkett zu Hause. Mit anderen Worten: Zu Guttenberg hat all das, was Michael Glos nie hatte.

"Manchmal war ich neidisch"

Vielleicht hat Glos deshalb die Brocken hingeschmissen. Vielleicht auch, weil er sich unfair behandelt fühlte. Am Montag hat er sich in der Sitzung der CSU-Landesgruppe bitter beschwert, wie die Kanzlerin mit ihm umgegangen sei. Die habe lieber an den Lippen des Finanzministers gehangen, als ihm zuzuhören.

Wenn es so war, muss Seehofer das doch bemerkt haben als er noch mit am Kabinettstisch saß. Seehofer widerspricht: Er habe neben Merkel gesessen und der Finanz- und der Wirtschaftsminister ihm und Merkel gegenüber, da können "Sie es optisch nicht erfassen, an wessen Lippen sie gerade hängt".

Was nicht ausschließt, dass sie gehangen hat und Glos zumindest glaubt, dass es seine Lippen nicht gewesen sind.

Seehofer aber kann nicht mal erkennen, dass im Verhältnis zwischen Merkel und Glos etwas nicht gestimmt habe. "Manchmal war ich neidisch", sagt Seehofer. Dann ist es ganz still im Saal.

Irgendetwas muss da noch kommen - kommt aber nicht. Bis einer fragt, auf wen eigentlich. Und Seehofer sagt, dass er ja angesprochen worden sei auf das Verhältnis von Glos und Merkel und dass er da eben manchmal neidisch gewesen sei. Ob die Kanzlerin ihn noch schlechter behandelt habe als Glos, will einer wissen.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum Horst Seehofer seine eigenen potentiellen Königsmörder heranzieht.

Seehofer sagt, er hätte den Eindruck gehabt, Merkel und Glos seien "persönlich recht freundschaftlich" miteinander umgegangen. Das habe er sich zuweilen auch gewünscht.

Horst Seehofer sagt, die CSU müsse die jüngste und modernste Partei des Landes werden. (Foto: Foto: ddp)

"Oooooch", hallt es da durch den Saal. Seehofer beschwichtigt: "Als ich noch im Kabinett war". Dann lächelt er. "Jetzt ist es so."

Überraschend ist auch Seehofers Sicht auf seinen Umgang mit Glos. Hat er Fehler gemacht? Nein. Glos habe früh Bescheid gewusst, er habe ihm sogar vor vier Monaten schon angeboten, dass er über das Amt des Wirtschaftsministers frei disponieren könne. Glos habe auch früh gewusst, dass der Unternehmer und CSU-Schatzmeister Thomas Bauer in Seehofers engerer Wahl war, nur für den Fall der Fälle.

Warum dann Glos am Wochenende so überstürzt gehandelt hat, bleibt offen. Es heißt ja, Glos habe am Samstag aus Ärger darüber das Rücktritts-Fax losgeschickt, dass jener Thomas Bauer in seiner Heimatzeitung als sein Nachfolger gehandelt wurde.

Immer voll auf Linie

Nichts dran, an allem nicht. Und dass er, Seehofer, am Samstag von einem Rücktritt erst nichts wusste, dann nichts wissen wollte? Es war halt Sicherheitskonferenz in München, sagt Seehofer. Er habe doch wegen einer innenpolitischen Sache nicht den US-Vizepräsidenten alleine lassen können, noch dazu als Gastgeber.

Er habe nichts gegen Glos. Im Gegenteil. Glos habe sein vollstes Vertrauen. Er schätze ihn, er respektiere ihn. Er sei ihm dankbar, Glos sei immer voll auf der Linie der CSU gewesen. Habe immer für die Ziele der CSU gekämpft.

Und dennoch scheint Seehofer ganz froh zu sein, dass Glos jetzt weg ist und zu Guttenberg sein Nachfolger. Es gehe nicht um die Abwertung seiner Arbeit, sagt Seehofer, sondern um eine "strategische Überlegung, mit wem gehen wir in die Bundestagswahl und wer steht auch nach der Wahl potentiell noch zur Verfügung."

Seehofer hat sich für einen Moment nicht ganz unter Kontrolle als es aus ihm herausbricht: "Mein Gott, dass muss doch das Recht eines Parteivorsitzenden sein, das ein oder andere ändern zu können, wo wir es Jahre lang nicht getan haben. Das ist meine Verantwortung."

Jüngste und modernste Partei des Landes

Seehofer hat eine Mission, sagt er. Die CSU müsse die jüngste und modernste Partei des Landes werden. Das gehe nicht ohne Veränderung. Streng genommen arbeitet Seehofer konsequent auf seine eigene Ablösung hin.

Er sieht erkennbar alt aus neben diesen jungen Gesichtern. Dobrindt ist mit 38 noch der Älteste, es folgt zu Guttenberg mit 37 Jahren, dann Dorothee Bär, das Nesthäkchen, das sich schminkt und kleidet, als wäre sie einer Burleske entsprungen. Im April wird sie 31.

Seehofer scheint zu wissen, dass er sich gerade seine eigenen potentiellen Königsmörder heranzieht. "Sie werden sehen", sagt er, "in einem halben, in einem dreiviertel Jahr lebe ich gefährlich." Und irgendwie sieht es so aus, als würden da Augen aufblitzen als Seehofer das sagt. Es könnten die von Dobrindt gewesen sein oder die von Dorothee Bär. Vielleicht war es auch zu Guttenberg. In ein paar Jahren wird man es wissen.

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