Straßenschlachten in Bangkok:"Niemand kann dies als Sieg verbuchen"

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Nach dem Sturm der Armee auf die Stellungen der Opposition hat sich deren Führung ergeben. Doch militante Rothemden und Soldaten liefern sich weiterhin heftige Kämpfe.

Noch immer liefern sich militante Rothemden und Militär in Bangkok heftige Kämpfe - obwohl sich die politische Führung der thailändischen Protestbewegung den Soldaten ergeben hat. Die Innenstadt sei zu einem brennenden Schlachtfeld geworden, berichtet die Nachrichtenagentur apn. Mindestens sechs Menschen - darunter ein italienischer Fotojournalist - wurden demnach getötet, 60 weitere verletzt.

Obwohl sich Anführer der Opposition ergeben haben, gehen die Kämpfe weiter. (Foto: Foto: dpa)

Am Vormittag hatte die Regierung in Thailand die Proteste der Rothemden in Bangkok mit militärischer Gewalt beendet. Unterstützt von gepanzerten Transportfahrzeugen und Panzern hatten Soldaten die von den Regierungsgegnern errichteten Barrikaden in Thailands Hauptstadt gestürmt.

Nach der Erstürmung der Widerstandscamps erklärten die sieben Führungsmitglieder der Protestbewegung das Ende der Blockade und ließen sich von der Polizei verhaften. Sie könnten nicht mehr mit ansehen, wie ihre Leute, darunter auch Frauen und Kinder, getötet würden, erklärten sie. "Wir wollen weitere Verluste unserer Brüder und Schwestern unter den Rothemden verhindern", sagte Weng Tojirakarn. Er rief die Regierungsgegner dazu auf, das Stadtzentrum zu verlassen.

Ein weiterer Anführer der Rothemden, Natawut Saikua, sagte: "Wir haben unser Bestes getan. Bitte geht wieder nach Hause."

Ihren Widerstand gegen die Regierung wollen sie allerdings nicht aufgeben: "Nur, weil wir uns ergeben, heißt das nicht, dass wir verloren haben", kündigte Patuporn Prompan an.

Bald darauf gab die Militärführung bekannt, die Armee hätte die Lage unter Kontrolle. Der Einsatz gegen das Protestcamp der Rothemden sei gestoppt. Die Truppen forderten die Menschen über Lautsprecher auf, nach Hause zu gehen.

"Wir sind froh, dass die Proteste zu Ende sind", sagte Finanzminister Korn Chatikavanij am Abend dem britischen Nachrichtensender BBC. "Aber das Ganze ist eine Tragödie für Thailand, niemand kann dies als Sieg verbuchen."

Viele Regierungsgegner reagierten jedoch verärgert über die Entscheidung ihrer Anführer, die Blockade zu beenden. In einigen Seitenstraßen errichteten Gruppen von Rothemden neue Barrieren. Kurz nach der Erklärung der Oppositionsführer waren mehrere Granaten im Stadtzentrum explodierten. Dabei wurden mindestens zwei Soldaten und ein kanadischer Journalist schwer verletzt.

Die aufgebrachten Demonstranten setzten mehrere große Gebäude in Brand, darunter Banken, der Hauptsitz der Städtischen Stromversorgung, eine Luxus-Einkaufsmeile und das Gebäude der Wertpapierbörse. Zwischen den Wolkenkratzern der Innenstadt stiegen dicke schwarze Rauchwolken auf.

Die Zentrale des örtlichen Fernsehsenders Channel 3 wurde von Rothemden angegriffen, wie Mitarbeiter des Senders mitteilten. Die Regierungsgegner setzten Autos auf dem Parkplatz in Brand und drangen in das Gebäude ein. Auch vor dem Gebäude der Zeitung The Nation versammelten sich Demonstranten, die die Berichterstattung zu einseitig fanden.

Im Geschäftsviertel der Hauptstadt hatten sich bis zum Mittwoch noch rund 3000 Regierungsgegner verbarrikadiert. Im Morgengrauen hatte die Armee Hunderte zusätzliche Soldaten im Zentrum der Hauptstadt zusammengezogen und ein Parkgelände unter ihre Kontrolle gebracht, das von den Rothemden in den vergangenen Tagen aber bereits weitgehend verlassen worden war.

In dem Hotel- und Geschäftsviertel Ratchaprasong hatten sich die Regierungsgegner auf den Einsatz der Soldaten vorbereitet. Um das weitere Vorrücken der Sicherheitskräfte zu verhindern, zündeten sie Barrikaden aus Autoreifen an. Medienberichten zufolge setzten die Demonstranten auch ein Büro der Drogenfahndung in dem besetzten Stadtteil in Brand.

Das Militär versuchte die brennenden Barrikaden mit Wasserwerfern zu löschen und die Demonstranten zu vertreiben. Tränengas wurde eingesetzt. Dann durchbrachen die Soldaten die Sperren und Zäune aus spitzen Bambusstäben mit zahlreichen Panzern und gepanzerten Truppentransporten. Es kam zu heftigen Schusswechseln zwischen den Soldaten und Oppositionellen, bei denen Dutzende Menschen verletzt wurden.

Der deutsche Botschafter Hanns Schumacher saß in seiner Residenz fest, die nicht weit von einer der zentralen Kampfzonen liegt. Die Botschaft rief alle rund 1000 Deutschen in Bangkok auf, nicht auf die Straße zu gehen.

Warnung vor einem landesweiten Guerilla-Krieg

In einem nördlichen Vorort sammelten sich Hunderte Sympathisanten der Rothemden und drohten, eine Satellitenstation einzunehmen. In den Provinzen im Nordosten des Landes, wo viele der Demonstranten zu Hause sind, protestierten ebenfalls Hunderte Rothemden gegen die Militäraktion. In der Provinz Udon Thani ging ein Haus in Flammen aus, berichteten thailändische Medien. Auch in Chiang Mai und Chiang Rai im Norden des Landes wurden die Gebäude von Stadtverwaltungen attackiert.

Aus dem Exil meldete sich der frühere Regierungschef Thaksin Shinawatra und warnte vor einem landesweiten Guerilla-Krieg: Die Niederschlagung der Proteste könne zu einem tiefsitzenden Hass gegen die Regierung führen. Dieser wiederum könnte Auslöser für einen Untergrundkampf sein, sagte Thaksin. Er bestritt, die Verhandlungen zwischen Opposition und Regierung in den vergangenen Tagen hintertrieben zu haben.

Die Rothemden, von denen viele Anhänger Thaksins sind, hatten seit Ostern Teile der Bangkoker Innenstadt besetzt. Sie fordern den Rücktritt der Regierung. Diese hatte am Dienstag eine Vermittlungsinitiative des Parlaments abgelehnt. Vor der Aufnahme von Gesprächen müsste erst das Widerstandscamp der Opposition aufgelöst werden, hatte Kabinettsminister Satit Wonghnongtaey erklärt. Die Rothemden hatten zuvor bedingungslosen Verhandlungen unter Vermittlung des Senats, also der zweiten Parlamentskammer, zugestimmt.

Bei den Kämpfen sind in jüngsten Tagen etwa 40 Menschen ums Leben gekommen, fast 300 wurden verletzt. Insgesamt gab es seit der Beginn der Proteste Mitte März 66 Tote.

© dpa/Reuters/AFP/apn/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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