Zum ersten Mal in der Geschichte der Republik ist "Bundespräsident" eine Klasse im Kampfsport. Christian Wulff steht im Ring wie ein angeschlagener Boxer. Er steckt Schlag für Schlag ein, er steht Runde um Runde durch. Er wackelt, er wankt, er fällt aber nicht. Und er gibt sich unbeeindruckt davon, dass er in der Öffentlichkeit x-mal angezählt wurde. Man nennt das "Steherqualitäten". Aber Wulff ist Staatsoberhaupt, nicht Boxer. Von ihm erwartet man etwas anderes, als sich für eigene Schwächen und Fehler verprügeln zu lassen.
Christian Wulff ist von der Bundesversammlung nicht in einen Boxring geschickt worden, sondern ins Schloss Bellevue. Seine Aufgabe dort ist es eigentlich nicht, wie er am Sonntag meinte, verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen. Seine Aufgabe ist es, den Staat zu repräsentieren und die Gesellschaft zusammenzuhalten. Das Vertrauen der Menschen ist allerdings Voraussetzung für diese Aufgabe. Wie soll dieses Vertrauen wachsen, wenn der Schlagregen an Vorwürfen anhält? Die meisten dieser Vorwürfe mögen kleiner und kleinlicher Art sein - aber das Gesamtbild, das der Präsident bei deren Abwehr abgibt, ist keines der Stärke, sondern des Jammers.
Die SPD in Niedersachsen versucht, einen technischen K. o. zu bewirken. Sie will vor dem Staatsgerichtshof gegen die CDU-geführte Landesregierung klagen - auf erschöpfende Auskunft über Wulffs Geschäfte als Ministerpräsident. Für eine direkte Anklage Wulffs vor dem Staatsgerichtshof nach Artikel 40 der Landesverfassung fehlt der SPD die nötige Mehrheit. Es wird ein Ringrichter gesucht. Als Wulff Präsident wurde, galt er als politischer Schwergewichtler - in Bellevue ist er Fliegengewicht.