SPD vor der Wahl in Hamburg:Wunderheilung im Eiltempo

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Unter der Führung eines gewissen Olaf Scholz feiert die SPD in Hamburg eine Wiederauferstehung geradezu zauberhaften Ausmaßes: Die Partei, mehr als zehn Jahre lang lahm und blind, kann plötzlich wieder gehen und sehen.

Ralf Wiegand, Hamburg

Vielleicht werden sie ihn nicht gleich heilig sprechen und künftig als St. Olaf von Hamburg verehren; aber verwundert die Augen reiben dürfen sich die deutschen Sozialdemokraten schon einmal angesichts dessen, was dort droben im Norden gerade geschieht. In Hamburg feiert die Sozialdemokratie unter der Führung eines gewissen Olaf Scholz in diesen Wochen eine Wiederauferstehung geradezu zauberhaften Ausmaßes, eine Wunderheilung im Eiltempo: Die Partei, über zehn Jahre lang lahm und blind, kann plötzlich wieder gehen und sehen.

Olaf Scholz führt einen glaubwürdigen Wahlkampf aus der Position der Stärke heraus. (Foto: dpa)

Es gibt viele in Hamburg, die nicht mehr ausschließen, dass die SPD sogar stramm der absoluten Mehrheit entgegenmarschiert. Die Abstimmung über die Zusammensetzung der Bürgerschaft am kommenden Sonntag bezieht ihre Spannung allein aus der Frage, ob Scholz einen Partner braucht, mit dem er einen Senat bilden muss, oder nicht. Das hängt auch davon ab, ob die FDP mit ihrer Spitzenkandidatin Katja Suding die Fünf-Prozent-Hürde knackt: Mit der FDP im Rathaus bräuchte die SPD schon fast 50 Prozent der Stimmen; ohne sie könnten auch deutlich weniger reichen, um künftig ganz alleine zu regieren.

Dass Katja Suding mit gut inszenierten Modelfotos überhaupt der Sprung in die Nähe der Parlamentszulassung gelungen ist, reicht schon aus, um die Frau als neues Gesicht der Liberalen bundesweit zu vermarkten. Als Kopf der Hamburger Politik gilt sie deshalb noch lange nicht - und schon gar nicht als mögliche Verhandlungsführerin in eventuellen Sondierungsgesprächen mit der SPD. Scholz hat in diesem Wahlkampf bewiesen, dass seine Partei mehr denn je auf Inhalte setzt, nicht auf Schmuckverpackungen. Und Scholz kennt - anders als offenbar die sich anbiedernde FDP - die Verhältnisse im Bundesrat: Eine rot-gelbe Koalition verbietet sich schon aus Gründen des Berliner Machtgefüges. Der SPD-Chef hat sie kategorisch ausgeschlossen.

Und es gehört zu den Stärken dieses SPD-Wahlkampfs, dass man am Wort des Spitzenkandidaten nicht unbedingt zweifeln muss. Scholz führt einen glaubwürdigen Wahlkampf aus einer Position der Stärke heraus, von dem auch andere Landesverbände der Partei in diesem beginnenden Superwahljahr lernen können. Zwar haben nicht alle Spitzenkandidaten allerorten das Glück, eine Gegnerschaft zu haben, die sich wie die Hamburger CDU mit Wonne selbst zerlegt. Doch schon im beginnenden Zerfall der Union ist von Scholz kein Triumphgeheul zu vernehmen gewesen. Er hat sich von Anfang an vor allem um die eigene Kundschaft gekümmert.

Der "kleine Mann", das kann eine Lehre für die SPD aus diesem Wahlkampf sein, ist nicht tot. Er versteckt sich nur besser in allen möglichen Schichten der Gesellschaft. Er kann Hartz-IV-Empfänger sein, alleinerziehende Lehrerin, Rentner, aber auch das Double-Income-no-Kids-Paar, das in der City keine bezahlbare Wohnung findet. Der kleine Mann wohnt nicht mehr in der Arbeitersiedlung am Stadtrand, sondern überall.

Und so findet man diese Leute derzeit auch auf so gut wie jeder SPD-Veranstaltung, sie füllen die Säle, weil sie sich wieder ernst genommen fühlen. Die Union proklamierte Jahre lang die "wachsende Stadt", das klang manchmal, als sei Hamburg ein Konzern kurz vor dem Börsenstart. Scholz und die Hamburger SPD machen einen Wahlkampf hart an der Basis, sie reden über milliardenschwere Hafenpolitik genauso lange und ernsthaft wie über kaputte Fahrradwege am Stadtpark. Es hat sich ausgezahlt, dass Scholz Arbeitsgruppen gebildet hatte, um herauszufinden, was die Menschen in der Stadt erwarten, der Stadt als ihrem Lebensraum. Das war sehr professionell.

Vor allem aber zeigt Hamburg dem Rest der Republik, dass es noch SPD-Wähler gibt. Sie zu mobilisieren kann gelingen, wenn die Umstände günstig und die Strategie klug ist. Es braucht dafür gar keine Wunder - nur einen guten Job.

© SZ vom 14.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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