SPD-Parteispitze:Rot in Not

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Steinmeier, Scholz, Gabriel - und dann? Die Sozialdemokraten haben zu wenig profilierte Führungspersonen und wissen nicht, wie sie wichtige Positionen besetzen sollen.

Susanne Höll

Das Ende der schwarz-grünen Koalition in Hamburg ist für die Bundes-SPD eine schöne Sache. Denn ihr stellvertretender Partei- und Fraktionschef Olaf Scholz hat gute Aussichten, neuer Erster Bürgermeister der Hansestadt zu werden. Sein Platz als Vize in der Fraktion müsste im Frühjahr neu besetzt werden. An Bewerbern, besser gesagt, Bewerberinnen dürfte es nicht mangeln. Offiziell ist die Personalie zwar kein Thema. Doch Innenexperten berichten, seit Wochenbeginn werde intern über zwei Damen aus Hessen spekuliert.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel ärgert sich manchmal, dass das Personaltableau so klein ist und schimpft, er könne schließlich nicht alles allein machen. (Foto: dpa)

Da ist einmal Brigitte Zypries, frühere Justizministerin und Innen-Staatssekretärin, seit Studentenzeiten Weggefährtin von Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und seit einem Jahr Justiziarin der Fraktion. Die zweite Frau heißt Christine Lambrecht, ist rechtspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag und zählt zum linken Parteiflügel. Wer auch immer das Rennen um die Scholz-Nachfolge machen sollte, wird zwar in der Oppositionshierarchie aufsteigen.

Eines der offenkundigen Probleme der Sozialdemokraten im Bund würde durch diese Neuwahl aber nicht gelöst: ein eklatanter Mangel an bundesweit profilierten Politikern mit Außenwirkung. Vertreter der Spitzen von Partei und Fraktion rechnen vor, dass es nicht einmal zwei Handvoll SPD-Politiker gibt, die derzeit öffentlich wahrgenommen werden. An erster Stelle natürlich der Vorsitzende Sigmar Gabriel, gefolgt von Steinmeier, Generalsekretärin Andrea Nahles und dem Parlamentarischen Geschäftsführer Thomas Oppermann. Gabriels Stellvertreterin Manuela Schwesig kommt inzwischen öfter im Fernsehen zu Wort.

Die Landesministerin aus Mecklenburg-Vorpommern ist zuständig für Sozial-, Familien- und Frauenpolitik und soll, wenn man so will, als eine Art Gegenspielerin zur einstigen Familien- und heutigen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen aufgebaut werden. Zwei andere Parteivizechefs, die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, sind hauptsächlich in ihrer jeweiligen Heimat beschäftigt und treten bundespolitisch kaum in Erscheinung. Ähnliches galt bislang auch für Scholz, Stellvertreter von Gabriel und Steinmeier. Der bastelte monatelang im Stillen am SPD-Rentenkompromiss und sorgte für Ordnung in der Hamburger Landespartei. Öffentlich wahrzunehmen war er aber selten.

Aus der Fraktion hat sich der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach über die Grenzen der Berliner Polit-Zirkel einen Namen gemacht. Nicht umsonst tauchte er als einziger Sozialdemokrat in der bunten Liste der Menschen auf, die zumindest die Bild-Zeitung nicht mehr so oft in TV-Talkshows sehen möchte.

Quasi außer Konkurrenz läuft der Mann, der zu den bekanntesten und auch unterhaltsamsten SPD-Politikern zählt: Ex-Finanzminister Peer Steinbrück. Der ist offiziell nur noch ein Hinterbänkler der Fraktion. Bundesweit füllt er allerdings Säle in ganz Deutschland, wenn er aus seinem Buch vorliest.

Gabriel ärgert sich zwar manchmal, dass das Personaltableau so klein ist und schimpft, er könne schließlich nicht alles allein machen. Abhilfe freilich kann er nicht schaffen. Wie auch? Jahrelang, da sind sich langgediente SPD-Kenner einig, habe es die Partei versäumt, eine konsequente Personalpolitik zu betreiben. Stattdessen habe man einem jungen Mann oder einer jungen Frau Amt oder Posten gegeben, im Irrglauben, dass sich dann alles von selbst regeln werde, erzählt einer aus dem inneren SPD-Kreis. Auch erleben die Sozialdemokraten nun das, was die CDU 1998 durchmachen musste, als sie im Bund abgewählt wurde. Der Kreis ihrer Vordermänner und -frauen schrumpfte auf einen kleinen Kreis zusammen; sie konnte aber mit einer stattlichen Riege von Ministerpräsidenten aufwarten.

Gabriel und ein paar andere in der SPD denken immer wieder einmal darüber nach, was sich personell ändern ließe. Der Vorsitzende würde offenkundig gern mehr mit dem Pfund Steinbrück wuchern, der aber immer wieder zu verstehen gibt, dass sich seine Ambitionen in engen Grenzen halten. Auch Oppermann wird als einer derjenigen genannt, die mehr Aufgaben übernehmen könnten. Er selbst findet aber, er habe als Geschäftsführer schon genug zu tun und will bleiben, was er ist - Generalist nämlich.

Personelle Veränderungen wird es, wenn überhaupt, erst im Herbst 2011 geben. Dann sind Neuwahlen in den Spitzen von Partei und Fraktion geplant. Gabriel lässt glaubhaft Spekulationen dementieren, er müsse, wenn er Kanzlerkandidat werden wolle, von Steinmeier auch den Fraktionsvorsitz übernehmen. Er wolle auf seinen Mitstreiter keinesfalls verzichten, heißt es. Einer, der sich ebenfalls Gedanken über die Zukunft der SPD macht, mahnt zu Gelassenheit. Das Personaltableau sei zwar eng, für eine Kabinettsmannschaft aber würde es reichen. Wenn die SPD 2013 wieder regiere, dann wohl mit Grünen und Linkspartei. Und in einer Dreier-Konstellation könne man ohnehin nur einige der vielen Posten besetzen.

© SZ vom 04.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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