Spanien und Gibraltar:Annäherung am Affenfelsen

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"Ein kleiner Schritt für Señor Moratinos, ein großer Sprung" für Spanien: Erstmals seit 1704 fährt ein spanischer Minister ins britische Gibraltar. Medien vergleichen den Besuch mit der Mondlandung.

J. Cáceres, Madrid

Das Wörtchen historisch leidet zwar unter einer inflationären Verwendung, aber in welchen Kategorien soll man denken, wenn Spaniens Außenminister Miguel Ángel Moratinos an diesem Dienstag einen einzigartigen Besuch antritt?

Der Legende nach sind die Berberaffen vom Affenfelsen auf Gibraltar die wichtigsten Garanten der Zugehörigkeit zum britischen Königreich. (Foto: Foto: dpa)

Moratinos wird nach Gibraltar reisen - und Geschichte schreiben. Denn seit das 6,5 Quadratkilometer große Gebiet an der Südspitze der Iberischen Halbinsel 1704 in britische Hände fiel und im Frieden von Utrecht 1713 der britischen Krone zugesprochen wurde, hat noch nie ein spanischer Minister die Kolonie am Fuße des von Berberaffen bewohnten 425 Meter hohen Kalksteinfelsens besucht.

Gibraltars führende Zeitung Chronicle paraphrasierte die berühmten Worte Neil Armstrongs, des ersten Menschen auf dem Mond: "Ein kleiner Schritt für Señor Moratinos" bringe Spaniens Politik "einen großen Sprung" voran.

Höhepunkt der Entkrampfung

Zwar bedeutet Moratinos Abstecher nach Gibraltar keineswegs, dass Spanien seinen Anspruch auf Gibraltar aufgeben würde. Die Visite sei weniger ein Besuch als ein "technisches Treffen" des von Spanien, Großbritannien und Gibraltar beschickten Dreierforums, das nur aufgrund eines stillschweigend akzeptierten Turnus nun eben in Gibraltar stattfinde, nachdem man sich zuvor im andalusischen Córdoba sowie in London getroffen habe, heißt es in Spaniens Außenamt. Einen Höhepunkt in der nun schon Jahre andauernden Entkrampfung stellt Moratinos Reise aber sehr wohl dar.

Der Tag, als Spaniens 1975 verstorbener Diktator Francisco Franco die Grenzen nach Gibraltar schließen ließ, liegt zwar mittlerweile genau so lange zurück wie die Mondlandung. Dass es aber auch noch lange nach der Wiederöffnung der Grenzen 1985 zu Schikanen an Übergängen oder Behinderungen im Telefonverkehr kam, ist vielen Betroffenen noch in Erinnerung.

Erst im Dezember 2006 wurden nach dem ersten Dreierforum in Córdoba Linienflüge zwischen Madrid und Gibraltar vereinbart. Auch am Dienstag wird es hauptsächlich um Verbesserungen der Koexistenz gehen. Denn möglich war und ist das Dreierforum nur, weil Fragen zur Souveränität ausdrücklich außen vor bleiben müssen. Für Gibraltars Bevölkerung ist die Angelegenheit sowieso klar: 2002 stimmten bei einem Referendum 99 Prozent für einen Verbleib unter britischer Herrschaft.

"Völlig inakzeptabel"

Misstöne hat es im Vorfeld der Moratinos-Visite dennoch gegeben. Vergangene Woche stand der Besuch wegen eines Disputs um die Gewässer vor Gibraltar sogar kurz vor dem Scheitern. Spanien hatte die Gewässer in einem Entwurf einer Umweltschutz-Direktive der Europäischen Union kurzerhand als spanische Gewässer bezeichnet, Gibraltar zieht deshalb vor den Europäischen Gerichtshof.

Zudem meldeten sich die Oppositionsparteien zu Wort. Spaniens Rechte nannte den Besuch eine "nachlässige" Anerkennung der britischen Souveränität. Gibraltars Rechtsliberale wiederum halten die Anwesenheit Moratinos auf Gibraltar für "völlig inakzeptabel".

Dass es zu größeren Protesten kommt, darf allerdings bezweifelt werden. Schließlich erhoffen sich viele der 30.000 Einwohner Gibraltars Erleichterungen für den Alltag. Offen bleibt freilich, was die Berberaffen von der Visite halten, sie gelten als die wichtigsten Garanten der Zugehörigkeit zum britischen Königreich. Der Legende nach sollen sie 1704 einen nächtlich unternommenen Versuch der Spanier vereitelt haben, Gibraltar zurückzuerobern. Mit ihrem lauten Geschrei sollen sie angeblich die Briten geweckt haben.

© SZ vom 21.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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