Spanien:Proteste gegen Einschränkung des Abtreibungsrechts

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Mit Plakaten ("Freie Bäuche schaffen freie Menschen") protestierten im ganzen Land, wie hier in Madrid, Menschen gegen die beschlossene Gesetzesreform. (Foto: AFP)

Spaniens bürgerliche Regierung hat mit einer geplanten Einschränkung des Rechts auf Abtreibung scharfe Kritik selbst von Konservativen ausgelöst. Nicht einmal eine schwere Behinderung des Ungeborenen soll künftig einen Schwangerschaftsabbruch rechtfertigen. Im ganzen Land gingen Gegner auf die Straße.

Die konservative spanische Regierung hat eine umstrittene Verschärfung des Abtreibungsgesetzes beschlossen und damit große Empörung auch unter Konservativen ausgelöst. Nach dem Reformentwurf, der gestern in einer Kabinettssitzung in Madrid gebilligt wurde und noch vom Parlament verabschiedet werden muss, sollen Abtreibungen künftig nur noch in Fällen von Vergewaltigung oder bei schweren gesundheitlichen Risiken für die Mutter zulässig sein. Wie die Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy weiter mitteilte, sollen Abtreibungen nur noch bis zur 14. Schwangerschaftswoche legal durchgeführt werden können.

Bisher gestattet das seit 2010 in Spanien geltende Recht Frauen bis zur 14. Schwangerschaftswoche eine Abtreibung ohne jedwede Angabe von Gründen. Nur Mädchen unter 16 Jahren müssen eine Einverständniserklärung ihrer Eltern vorlegen. Falls eine Missbildung des Fötus vorliegt und auch bei physischen oder psychologischen Risiken für die Mutter darf ein Abbruch sogar bis zur 22. Woche erfolgen.

Die Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy will die von der sozialistischen Regierung im Jahr 2010 eingeführte Regelung nun wieder rückgängig machen. Eine Verabschiedung des Gesetzes im Parlament gilt als wahrscheinlich, da die Volkspartei dort über eine absolute Mehrheit verfügt.

Die Konservativen knüpfen damit an ein Gesetz aus dem Jahr 1985 an. Jedoch war damals bereits die Abtreibung wegen Missbildung des Fötus erlaubt worden - eine Möglichkeit, die nun im Entwurf von Justizminister Alberto Ruiz-Gallardón (PP) abgeschafft wird. Das Vorhaben war ein Wahlversprechen des Ministerpräsidenten Rajoy.

Förderung illegaler Abtreibungen

In einer Umfrage vom Mai hatte sich mit 46 Prozent noch eine Mehrheit der Spanier für eine Beibehaltung der derzeitigen Gesetzeslage ausgesprochen, 41 Prozent waren für eine schärfere Regelung. Schon wenige Stunden nach der Kabinettsentscheidung gingen im ganzen Land spontan Menschen auf die Straß, um zu protestieren. In Madrid versammelten sich laut Medien zunächst insgesamt etwa Tausend Menschen vor dem Justizministerium und auch vor dem Hauptsitz von Rajoys Volkspartei (PP). Auch in Barcelona und anderen Städten gab es Proteste.

Unter dem Motto "Mein Bauch gehört mir!" machten vor allem Frauen ihrer Empörung Luft. Sie forderten den Rücktritt von Justizminister Alberto Ruiz-Gallardón. Er zwinge die Frauen zu illegalen Abtreibungen, hieß es.

Die Reformpläne werden von linken Parteien, Frauenverbänden und Menschenrechtsgruppen scharf angeprangert. Die stellvertretende Vorsitzende der Sozialisten, Elena Valenciano, sprach von einer "unbegreiflichen Einschränkung der Freiheit von Frauen". Der Vorsitzende des Bündnisses für Familienplanung, Luis Enrique Sánchez, warnte vor einem Rückfall in die 80er Jahre, als spanische Frauen gezwungen gewesen seien, für Abtreibungen nach Frankreich oder Großbritannien zu reisen. Bürgerinitiativen, die für mehr Demokratie und gegen die Korruption kämpfen, wie die Bewegung "DRYMadrid" ("Wirkliche Demokratie sofort!"), klagten auf Twitter, Rajoy wolle das Land "ins Mittelalter zurückwerfen".

Die Zeitung El País schrieb, es handele sich um das "restriktivste Abtreibungsrecht" seit der Rückkehr des Landes zur Demokratie im Jahr 1975. Etliche Twitter-User werfen der Regierung vor, mit der Reform von Korruptionsskandalen und der weiterhin latenten Wirtschaftskrise ablenken zu wollen.

Kritik konservativer Basken

Kritik gab es aber auch von konservativ-christlich ausgerichteten Bewegungen wie der Baskischen Nationalistischen Partei PNV. Die Reform erfolge "auf Druck sehr reaktionärer Sektoren", klagte etwa die PNV-Präsidentin der Provinz Bizkaia, Itxaso Atutxa. Das Gesetz von 2010 sei seinerzeit "mit großem Konsens in Parlament und Gesellschaft" beschlossen worden, betonte sie.

Mit etwa 120.000 Abtreibungen pro Jahr liegt Spanien nach amtlichen Angaben über dem europäischen Durchschnitt. In nahezu allen europäischen Ländern sind Abtreibungen zu Beginn der Schwangerschaft legal. In Deutschland etwa ist ein Abbruch nach vorausgegangener Beratung bis zur 12. Woche ohne Erfordernis einer ärztlichen Indikation zulässig. Wenn aus ärztlicher Sicht eine Indikation vorliegt - zum Beispiel eine schwere Schädigung des Ungeborenen -, gilt ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 14. Woche und unter bestimmten Voraussetzungen darüber hinaus als rechtmäßig.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/kat - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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