Silvester:83,5 Prozent der Polizisten in Rom meldeten sich krank

Polizisten vor dem Petersdom

Polizisten in Rom: Am Silvestertag traten die meisten von ihnen ihren Dienst nicht an.

(Foto: dpa/dpaweb)

Plötzliche Erkrankungen: Am Silvestertag sind in Rom 83,5 Prozent der Stadtpolizisten nicht zum Dienst erschienen. Gewerkschafter beteuern, das seien allesamt echte Krankheitsfälle. Doch der spontane Ausstand hat vermutlich auch einen anderen Grund.

Von Stefan Ulrich

Rom hat sich in den letzten Wochen des vergangenen Jahres als kranke Stadt präsentiert. In verwahrlosten Vorstädten machten manche Bürger, angepeitscht von rechtsradikalen Gruppen, gegen Einwanderer Front. Zugleich explodierte ein Skandal, "Mafia Capitale" genannt, der die italienische Hauptstadt in ein sehr schlechtes Licht rückt. Eine Untergrundorganisation, angeführt von einem früheren faschistischen Terroristen, soll erhebliche Teile der Stadtpolitik, der Verwaltung und der Wirtschaft unterwandert haben.

Das alles bedeutet sehr viel Arbeit für die Polizei. Doch nun stellte sich zum Abschluss dieses schrecklichen Jahres auch noch heraus, dass die Stadtpolizei selbst krank ist. Zumindest sind es viele ihrer Beamten. Für die Silvesternacht meldeten sich nach offiziellen Angaben exakt 83,5 Prozent der eingeteilten vigili urbani dienstunfähig. Die Vorgesetzten sind empört - und Premierminister Matteo Renzi droht aus dem Skiurlaub heraus per Twitter mit Konsequenzen.

Die massenhaften Spontanerkrankungen der Ordnungshüter haben natürlich ihre Vorgeschichte. Die Stadt streitet mit den Gewerkschaftern über die künftigen Löhne, vor allem aber über ein neues Rotationsprinzip. Demnach sollen die Polizisten öfter versetzt werden, um es der römischen Mafia schwerer zu machen, sie zu korrumpieren. Die geplante Rotation passt jedoch vielen Polizisten nicht. Sie setzten daher für die Silvesternacht eine Gewerkschaftsversammlung an, die vom Präfekten prompt verschoben wurde. Daraufhin lehnten es etliche Polizisten ab, in der Nacht Überstunden zu machen. Zudem meldeten sich 835 von an sich 1000 einsatzbereiten vigili urbani kurzfristig ab, wegen vorgeblicher Erkrankungen, Blutspenden und anderer Unannehmlichkeiten.

Auch die Verkehrsbetriebe waren schlecht besetzt

Die Stadtverwaltung musste schließlich auf den - teuren - Bereitschaftsdienst zurückgreifen, um Sicherheit und Ordnung garantieren zu können, zum Beispiel für die Silvesterfeier auf der Via dei Fori Imperiali und für das Großkonzert im Circus Maximus. Und dann gab es auch noch Probleme bei den Verkehrsbetrieben. Von 24 Fahrern, die auf der Linie A der Metro notwendig gewesen wären, kamen in der Nacht auf den 1. Januar nur sieben zum Dienst. Viele U-Bahnen fielen aus - und viele Römer waren wieder einmal sauer.

Nachdem die Stadt jetzt selbst die Malaise bei der Polizei bekannt gemacht hatte, beherrschte das Thema am Freitagmorgen die italienischen Onlinemedien. "600 000 Menschen haben auf den Straßen und Plätzen Silvester gefeiert", sagte der römische Bürgermeister Ignazio Marino. Den abgängigen Polizisten sei es nicht gelungen, das Fest zu verderben. Nun würden sie zur Rechenschaft gezogen. Alle Krankmeldungen würden überprüft. Das Ministerium für den öffentlichen Dienst drohte Disziplinarverfahren an. Und Premier Renzi versicherte: "Wir werden die Regeln des öffentlichen Dienstes ändern."

Gewerkschaftsvertreter verteidigten die Stadtpolizisten dagegen damit, viele von ihnen seien gar nicht malad, sondern in Ferien gewesen. Und diejenigen, die sich krank gemeldet hätten, seien auch wirklich krank gewesen. Zugleich beklagten die Gewerkschafter eine "Entfremdung" vieler Polizisten von ihrer Stadt. Rom stehe ein "annus horribilis" bevor. Ein heikles Großereignis steigt bereits Ende der kommenden Woche. Dann spielen die Fußball-Stadtrivalen Roma und Lazio gegeneinander. Hoffentlich sind bis dahin wieder viele Polizisten gesund.

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