Serie "Deutscher Herbst":Die Spur der Terroristen führt nach Köln

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Schwerbewaffnete Polizisten kontrollieren im Rahmen einer Ringfahndung nach den Mördern von Hanns-Martin Schleyer in Bonn-Bad Godesberg. (Foto: imago/Sven Simon)

Heute vor 40 Jahren: Wo verstecken sich die Schleyer-Entführer? Für ihre Ermittlungen beginnen die Fahnder in Frankfurt mit der Abhöraktion "Alaska".

Von Robert Probst

Tag 13: Samstag, 17.September "Alaska" und leere Telefonzellen

Zwischen dem Bundeskriminalamt und der Anwaltskanzlei Payot herrscht reger Telefonkontakt. BKA und RAF haben an die jeweils andere Seite Nachfragen und fordern präzisere Formulierungen der Botschaften.

Die Entführer geben ihre Nachrichten stets in deutscher Sprache durch, die technische Qualität der Anrufe variiere stark, teilt Denis Payot mit. In einer Videobotschaft Schleyers wurden die "sprachlichen Schwierigkeiten in der Verständigung" mit Payot moniert, der Anwalt spricht nur französisch.

Jede Nachricht versehen die Entführer mit einer "Legitimation" - also mit Sätzen oder Aussagen von Schleyer, die nur er und sein nächstes Umfeld kennen. So können Meldungen von Trittbrettfahrern schnell aussortiert werden. Eine solche Legitimation lautet am 17. September: "Kurz vor dem Anschlag habe ich von meiner Sekretärin erfahren, daß das BMI mich gebeten hat, ein Gespräch mit Herrn Herold zu führen."

Aufgrund der telefonischen Überwachung des Anschlusses in Genf können die BKA-Beamten die Gespräche zwischen Payot und den Terroristen stets mithören. Einige Zeit später gibt der Anwalt dann die Mitteilungen ans BKA durch. Allein in der Zeit bis zum 17. September erhält Payot insgesamt 14 Anrufe der Entführer.

Das BKA versucht auch herauszufinden, von wo aus die Terroristen bei Payot anrufen. Da Präsident Horst Herold davon ausgeht, dass die Entführer sich noch im Großraum Köln aufhalten, lässt er alle Auslandsgespräche über das Fernmeldehochhaus Frankfurt führen.

Anrufe aus Köln und Paris

Die Aktion erhält den Decknamen "Alaska". Hunderte Beamte sollen nun die täglich etwa 15 000 Telefonanrufe in die Schweiz im Auge behalten. Sobald Payots Nummer gewählt wird, wird die Fangschaltung aktiviert. Sie führt meist zu Telefonzellen in der Nähe des Kölner Hauptbahnhofs. Zivilbeamte sind in großer Zahl in der Innenstadt unterwegs - nie wird einer der Anrufer auch nur gesehen. Mehrere Telefongespräche kommen auch aus Paris.

In der Union werden Stimmen laut, die der SPD unterschwellig eine Mitschuld am Entstehen des Terrorismus zumessen. CSU-Chef Franz Josef Strauß nennt die neue Linke die "geistige Heimat" der RAF. Mit der Tinte und vom Katheder herab seien genauso viele Verbrechen und Anschläge begangen worden wie später auf der Straße. Die SPD möge vor allem ihr Verhältnis zum Marxismus klären.

SPD-Vorsitzender Willy Brandt spricht von "skandalösen Verdächtigungen" und warnt davor, "unbequeme Meinungen und kritische Geister in einen Topf mit den Terroristen zu werfen".

Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski fliegt nach seinen Verhandlungen in Algerien und Libyen nun nach Bagdad und Aden, um mit den Regierungen des Irak und der Volksrepublik Jemen zu erörtern, ob diese eventuell die RAF-Terroristen aufnehmen würden. So vergeht die Zeit, die Terroristen werden hingehalten.

Die Serie erschien in einer ersten Version 2007 - und wurde für die Neuveröffentlichung leicht überarbeitet und erweitert. Die Rechtschreibung in Zitaten entspricht der Schreibweise der damaligen Zeit.

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Serie "Deutscher Herbst"
:Folgenreichste Panne der deutschen Kriminalgeschichte

Heute vor 40 Jahren: BKA-Chef Horst Herold glaubt, die Schleyer-Entführer steuern die RAF von einem Kölner Hochhaus aus. Doch die Beamten begehen einen Fehler.

Von Robert Probst

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