Schleswig-Holstein:NPD-Unterstützung bringt Piraten Ärger ein

Die Piratenpartei setzt sich in Schleswig-Holstein für eine Beschwerde der NPD ein - und muss dafür heftige Kritik einstecken. Und dann spricht der Fraktionsvorsitzende der Piraten, Patrick Breyer, auch noch von Gemeinsamkeiten zwischen der rechtsextremen NPD und demokratischen Parteien. Ein Tabubruch?

Antonie Rietzschel und Oliver Das Gupta

Knapp 9000 Stimmen oder 0,7 Prozent erhielt die NPD bei der vergangenen Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Die Fünf-Prozent-Hürde wurde damit deutlich verfehlt - nun will die Partei sie kippen.

Ingo Stawitz, stellvertretender NPD-Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein, hat beim Landesverfassungsgericht eine Beschwerde gegen die Durchführung der Landtagswahl im April eingereicht, die sich auch grundsätzlich gegen die Fünf-Prozent-Hürde richtet.

Damit würde die NPD womöglich keine große Aufmerksamkeit erhalten, bekäme sie nicht ausgerechnet Unterstützung von der Fraktion der Piratenpartei. In einer Pressemitteilung der Piraten wird Fraktionsmitglied Wolfgang Dudda zitiert: "Politisch muss man ihm und seinen Leute entschlossen begegnen. Seine Wahlprüfungsbeschwerde, die teilweise inhaltlich fundiert ist, zu unterdrücken, würde bedeuten, sich vor der NPD wegzuducken anstatt sie zu entlarven."

Mit den Rechten zusammenzuarbeiten, gilt im demokratischen Spektrum als tabu. Darüber setzen sich die Piraten in Schleswig-Holstein nun hinweg. Ein Zeichen von Pragmatismus oder ein naiver Anfängerfehler? Weder noch, findet Steffen Voß, Social-Media-Beauftragter der SPD in Schleswig-Holstein und Betreiber des Landesblogs, der über politische Entwicklungen im Norden bloggt. "Die Piratenfraktion hat damit klargemacht: Es gibt eine politische Schnittmenge zwischen ihrer Partei und der NPD - das darf nicht passieren. Es war bisher ein Konsens, dass demokratische Parteien keine Schnittmenge mit rechtsextremen Parteien haben", heißt es in dem Eintrag.

Die sich anschließenden Kommentare sind vor allem durch Fassungslosigkeit geprägt, der Partei wird "totale politische Blödheit" zugeschrieben. Offenbar Grund genug für Fraktionschef Breyer, sich in den Kommentaren zu Wort zu melden und die umstrittene Haltung zu verteidigen. "Es gibt inhaltliche Schnittmengen zwischen der NPD und allen Parteien", betont Breyer dort.

Diskussionen um den Umgang der Piraten mit rechten Positionen gibt es immer wieder: Vor einigen Monaten hatte ein als antisemitisch kritisierter Twitter-Kommentar des Piraten-Abgeordneten Dietmar Schulz in Nordrhein-Westfalen für Aufregung gesorgt.

In der Pressemitteilung versucht sich die Partei von NPD-Beschwerdeführer Stawitz zu distanzieren: Er wird dort als praktizierender Faschist bezeichnet, der die Verfassung bekämpft. Aber rechtfertigt das eine Unterstützung der Rechten in der Sache?

"Bestenfalls naiv"

Das Anliegen der NPD sei berechtigt, ihre Argumente zu ignorieren, gleiche einem Sieg für die Antidemokraten, sagt Patrick Breyer auch im Gespräch mit Süddeutsche.de. "Unsere Aufgabe ist es, auf das eigentliche Ziel der NPD aufmerksam zu machen, das hinter einzelnen vermeintlich anschlussfähigen Positionen steht: Die Abschaffung unserer Verfassung und Grundrechte", so Breyer.

So sei auch sein Kommentar auf dem Landesblog als Auseinandersetzung zu verstehen. Darin spricht er nicht nur allgemein von Schnittmengen, sondern zählt diese zunächst kommentarlos auf. Darunter: "Abschaffung der Ökosteuer, Einführung einer Mindestrente, Einführung von Mindestlöhnen, Privatsphäre statt Rundumüberwachung, Kinderpornografie härter zu ahnden." Der spätere Hinweis, dass es der NPD letztendlich um die Errichtung einer Diktatur gehe und sich die Piraten ausdrücklich von den Positionen distanzieren, scheint den Kommentatoren nicht zu reichen: Breyer wird vorgeworfen, die Akzeptanz der NPD durch seine Äußerungen zu stärken.

Außerdem wird die Frage gestellt, warum die Piraten nicht selbst Beschwerde einreichten. Breyer glaubt, dass das keinen Unterschied gemacht hätte: "Wenn wir unsere Argumente mit einer eigenen Beschwerde vorgebracht hätten, wäre uns auch der Vorwurf gemacht worden, gemeinsam mit der NPD gegen die Fünf-Prozent-Hürde zu klagen." Außerdem seien sie nach der Landtagswahl nicht von diesem Problem betroffen gewesen, schließlich hätten sie genügend Wählerstimmen erhalten.

Als "bestenfalls naiv" bezeichnet Ralf Stegner, Landesvorsitzender der SPD in Schleswig-Holstein, die Äußerungen Breyers. Auch das Vorgehen der Piraten, die Beschwerde der NPD zu unterstützen, kritisiert er scharf. "Man macht keine gemeinsame Sache mit Nazis - egal um was es geht."

Besonders der Bundesvorstand der Piratenpartei übt sich unterdessen in einer deutlichen Distanzierung von rechtem Gedankengut: Mit dem Kommentar "Kein Fußbreit" versehen, twitterte Klaus Peukert ein Anschreiben, in dem er einem nicht genannten Parteimitglied die Zusammenarbeit aufkündigt. Als Begründung nennt Peukert antisemitische Äußerungen, die den Grundsätzen der Partei widersprechen würden. Die aufgeführten Zitate ähneln denen, für die sich der NRW-Abgeordnete Dietmar Schulz erst vor kurzem entschuldigt hatte. Peukert scheint das nicht gereicht zu haben.

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