Scheidende Familienministerin:Warum Schröder ihr Leben neu ausrichtet

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Kristina Schröder will mehr Zeit für ihre Tochter haben. (Foto: dpa)

Kristina Schröder will nicht erneut Familienministerin werden. In einem Interview äußert sie sich erstmals ausführlich zu den Hintergründen und verteidigt abermals ihre Politik. Mit Selbstkritik hält sie sich zurück.

Von Barbara Galaktionow

In Berlin haben die Sondierungsgespräche für eine mögliche Koalition gerade erst begonnen. Es geht um Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün, Steuererhöhungen, Bildungsinvestitionen und Mindestlohn. Worum es offiziell noch gar nicht geht, das sind Personen. Doch egal, wie die Verhandlungen am Ende ausgehen werden, eines ist jetzt schon klar: Kristina Schröder wird dem neuen Kabinett nicht mehr angehören.

Bereits am Wahlabend hatte die CDU-Politikerin offiziell mitgeteilt, dass sie in der neuen Legislaturperiode nicht wieder als Familienministerin zur Verfügung steht. Sie wolle sich künftig mehr ihrer zweijährigen Tochter Lotte widmen, sagte sie da. Bekannt war das allerdings schon lange - dank einer Indiskretion aus der hessischen CDU. "Ihre Familiensituation steht dem entgegen", hatte ein namentlich nicht genanntes Mitglied der dortigen Parteiführung der Bild-Zeitung gesteckt.

In einem Interview mit dem Spiegel begründet Schröder nun ausführlich ihren Rückzug aus der Regierungsmannschaft. Sie zieht in gewisser Weise ein Fazit ihrer Zeit als Ministerin - obwohl darin zentrale Themen der vergangenen vier Jahre nicht einmal angesprochen werden: das heftig umstrittene Betreuungsgeld, das Schröder brav, wenn auch eher leidenschaftslos durchsetzte, der Krippenplatzausbau und eine Bewertung aller familienpolitischen Leistungen, gegen deren schönfärberische Umdeutung sich sogar die beauftragten Forscher selbst wandten. Dennoch führt das Gespräch in einigen Punkten ganz gut vor Augen, mit welchen Schwierigkeiten die heute 36-Jährige zu kämpfen hatte und woran es ihr wohl selbst mangelte.

Denn eines ist klar: Besonders beliebt machte sich Schröder, die mit nur 32 Jahren Familienministerin wurde, nicht - weder bei der Mehrzahl der Wähler, wie schlechte Umfragewerte, eine Online-Kampagne der Grünen und auch eine Leserumfrage von SZ.de zeigten, noch in den Medien. Und selbst der Rückhalt in ihrer Partei war brüchig, vor allem im hessischen Landesverband, dem sie angehört. Nur Kanzlerin Angela Merkel stand von Anfang an fest zu ihrer Ministerin - und ernannte sie sogar, obwohl Schröder sie darauf hingewiesen hatte, bald eine Familie gründen zu wollen.

Familienleben unter besonderen Bedingungen

Schröder ist denn auch die erste Ministerin, die während ihrer Amtszeit schwanger wurde und ein Kind bekam. Unmittelbar nach dem Mutterschutz nahm sie ihre Arbeit wieder auf. "Mir ist das ziemlich schwergefallen", bekennt sie im Spiegel und spricht von unterbrochenen Nächten, Stillzeiten und der ausgefeilten Terminkoordinierung mit ihrem Mann, Innenstaatssekretär Ole Schröder. Probleme, die wohl viele Eltern kennen - wenn auch selten unter diesen extremen Bedingungen. Mit einer 40-Stunden-Woche ist es bei einer Bundesministerin ja nicht getan.

Da wäre es schon interessant gewesen, auch einmal zu erfahren, wie Schröder damit umgeht, als junge Mutter nicht immer zur Verfügung zu stehen, ob es aufgrund dessen vielleicht Ausgrenzungsversuche oder Anfeindungen von Seiten ihrer sogenannten Parteifreunde gab. Doch dazu findet sich in dem Interview nichts. Schröder hatte ja auch von Anfang an klargestellt, ihre private Situation nicht auch politisch thematisieren zu wollen.

Stattdessen betont Schröder es als "Pflicht als Ministerin verstanden" zu haben, "offensiv zu ihren familiären Verpflichtungen zu stehen". Statt ein Beispiel aus ihrem eigenen Leben zu nennen, spricht sie über Führungskräfte, die zu den Laternenumzügen ihrer Kinder wollten, und sie kritisiert nicht ihre Kollegen in der Politik, sondern Journalistinnen, die so wenig Nachsicht übten. Die Familienministerin, die doch so viele Schwierigkeiten mit den Menschen teilt, für die ihr Ressort Politik macht, bleibt auch im Spiegel-Gespräch irgendwie ungreifbar.

Der Grund für ihren Rückzug vom Ministeramt ist für viele Eltern sicherlich nachvollziehbar - mehr Zeit für ihre Tochter. Sie könne in ihrem Leben vieles nachholen, "aber diese besonderen Stunden mit meiner Tochter kommen nie wieder", sagt Schröder. "Oft hatte ich das Gefühl, zu wenig Zeit mit der Kleinen zu haben." Künftig wolle sie mehr von ihrer Familie haben. Eine politische Botschaft will die Noch-Ministerin darin allerdings auf keinen Fall sehen. "Es geht bei meinem Schritt nur darum, dass ich meine ganz persönlichen Prioritäten neu setze."

Schröder, die selbst weiter als Bundestagsabgeordnete tätig sein wird, spricht sich allerdings gegen eine Politik aus, die Väter und Mütter dazu treibe, "spätestens ein Jahr nach der Geburt beruflich konstant Vollgas geben zu müssen". Und empört sich darüber, dass offensichtlich Frauen in Deutschland, die beruflich auch nur etwas kürzerträten, "gleich den Heimchen-am-Herd-Stempel auf der Stirn" trügen.

Ins Kreuzfeuer der öffentlichen Meinung könnte sich Schröder, wenn sie nicht ohnehin ihr Amt abgäbe, womöglich auch mit der Forderung begeben, bei der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ehrlicher zu sein. "Ich glaube, dass uns Frauen diese Trennung direkt nach der Geburt weit schwerer fällt", sagt Schröder. Und kritisiert damit "eine starke Richtung in der Frauenpolitik", die sich erst mit einer "Fifty-fifty-Verteilung" zufriedengäbe und "bestimmte Unterschiede in den Präferenzen zwischen den Geschlechtern" verneine.

Aber die erbitterte Auseinandersetzung mit Frauenrechtlerinnen alter Schule wie auch jüngeren Feministinnen ist Schröder ja gewohnt, seit sie sich vor ein paar Jahren mit Alice Schwarzer anlegte und 2012 ein Buch mit dem Titel "Danke, emanzipiert sind wir selber!" veröffentlichte, in dem, wie unter anderem auch Jakob Augstein kritisierte, neokonservative Vorstellungen in modernem Gewand daherkämen.

Eigene Fehler? Taktischer Natur!

Im Spiegel wendet sich die scheidende Familienministerin erneut gegen die "organisierte feministische Szene". Entscheidend sei, dass Frauen selber bestimmen wollen, wie sie leben. Gute Kinderbetreuung und einigermaßen erträgliche Arbeitszeiten seien "für viele Frauen wichtiger als Debatten in akademischen Zirkeln oder feministischen Internet-Blogs", sagt Schröder. Dass das eine mit dem anderen auch etwas zu tun haben könne, scheint ihrem Denken fremd.

Befragt danach, warum sie denn in der Öffentlichkeit so starke Aggressionen auslöse, sieht Schröder bei sich selbst keine Schuld. Das läge am stark emotionsbeladenen Feld der Familienpolitik. "Jeder hat eine Familie, und deshalb kann jeder gut mitreden", sagt Schröder. Was sie denn selbst falsch gemacht habe? Da sieht die Ministerin nur, dass sie es sich manchmal "taktisch einfacher (hätte) machen können".

Verwundert zeigt sich die Ministerin nur, dass sie all dies Aufsehen und die Agressionen gerade mit ihrer "urliberalen Botschaft in der Gesellschaftspolitik" verursacht habe. "Ich tauge nicht für Schubladen", setzt sie später noch hinterher. Doch vielleicht ist es ja gerade das, was sich die Wähler wünschen. Zwar nicht Schubladen, aber eine erkennbare Linie, klare Prioritäten bei dem, was politisch gewollt ist, nicht immer ein Flexi-sowohl-als-auch. Zum Beispiel mit Krippenplätzen - aber auch Betreuungsgeld. Und einer Frauenquote - aber nur als Selbstverpflichtung der Konzerne.

Bei einer Umfrage im vierten Jahr von Schröders Amtszeit gaben mehr als 60 Prozent der Befragten jedenfalls an, sie würden nicht erkennen, welche Ziele ihre Familienpolitik verfolge. Mal sehen, ob sich das unter dem nächsten Familienminister beziehungsweise der nächsten Familienministerin ändert.

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