Sarkozy und die EU:Der sogenannte Partner

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Nicolas Sarkozy verstößt gegen Grundanforderungen des menschlichen Miteinanders. Inzwischen gefährden die Egotrips des französischen Präsidenten das für die EU wichtige Verhältnis zwischen Berlin und Paris.

Daniel Brössler

Von Mark Twain stammt der Satz, man müsse die Tatsachen kennen, bevor man sie verdrehen könne. Als Nicolas Sarkozy, Staatspräsident der Französischen Republik, behauptete, Kanzlerin Angela Merkel wolle in Deutschland Roma-Lager räumen, fehlten ihm viele nützliche Informationen.

Er wusste nicht, dass es in Deutschland Roma-Lager zumindest der französischen Art nicht gibt. Ihm war auch nicht bekannt, dass - hätte er denn recht gehabt - es Sache der Bundesländer wäre, sie gegebenenfalls zu räumen. So bereitet es wenig Mühe, die Behauptung Sarkozys zu widerlegen. Erheblich schwieriger wird es sein, die Folgen aus der Welt zu schaffen.

Nicht zum ersten Mal hat Sarkozy im Umgang mit Merkel Grundanforderungen des menschlichen Miteinanders verletzt, die auch von Staatschefs großer Nationen nicht unterschritten werden sollten. Im Mai gerierte er sich als Euro-Retter und behandelte die Bundeskanzlerin wie ein Schulmädchen.

Nun legt er ihr frei erfundene Äußerungen in den Mund - ausgerechnet bei einem Thema, dessen Fallen sogar Sarkozy bekannt sein sollten. Angesichts der Verfolgung der Sinti und Roma in der Nazi-Zeit ausgerechnet die Deutschen mit in Haftung zu nehmen für die eigene empörende Roma-Politik, ist schäbig.

Die Kanzlerin steht im Umgang mit Frankreich nun vor einem Dilemma, in dem Wunsch und Wirklichkeit streng auseinanderzuhalten sind. Der Wunsch liegt auf der Hand: Die Europäische Union kommt stets nur dann voran, wenn die Regierungen in Berlin und Paris Hand in Hand arbeiten.

Wunsch und Wirklichkeit

Jede deutsch-französische Blockade lähmt Europa. Auch global werden die Europäer nicht gehört werden, wenn Deutsche und Franzosen nicht gemeinsam die Stimme erheben. Ein Erfolg Frankreichs bei seinen bevorstehenden Präsidentschaften im Kreis der G 8 und G20, also der in der Weltwirtschaft maßgeblichen Nationen, liegt im ureigenen deutschen Interesse.

Die Wirklichkeit aber droht sich dem Wunsch in den Weg zu stellen. Voraussetzung gemeinsamer Politik ist gegenseitiges Vertrauen. Die Basis hierfür müsste im Falle Deutschlands und Frankreichs besonders tragfähig sein. Dafür spricht die enorme wirtschaftliche Verzahnung und die in Jahrzehnten gewachsene institutionelle Verflechtung.

Die Geschichte seit dem Zweiten Weltkrieg hat aber auch gezeigt, dass erst die besondere Beziehung zwischen Kanzler und Präsident, wie im Falle von Helmut Kohl und François Mitterrand, ein besonderes Verhältnis der Staaten garantiert.

Die Kanzlerin weiß das, muss sich aber einstellen auf einen Partner, der für innenpolitischen Profit jeden außenpolitischen Schaden in Kauf nimmt. Weist sie Sarkozy allzu schroff zurecht, wird er diese Demütigung weder vergessen noch verzeihen. Das Duo wäre unrettbar aus dem Tritt. Lässt sie Sarkozy ihren Unmut indes nicht deutlich genug spüren, wird er es ihr wohl schon bald danken. Mit der nächsten Frechheit.

© SZ vom 18.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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