Sanktionen gegen Russland:Wie Gift in den Blutkreislauf

Lesezeit: 2 min

Wladimir Putin vor zwei Tagen mit seinem Kabinett in seiner Residenz in Nowo-Ogarjowo bei Moskau (Foto: AFP)

Bisher hat die EU in der Krise um die Ukraine nicht zu einer klaren Linie gefunden. Dabei ist klar geworden, dass Putin auf politische Angebote pfeift. Jetzt müssen die Europäer der russischen Willkür Entschlossenheit entgegensetzen.

Ein Kommentar von Stefan Kornelius

Während Russland auf der Krim Fakten schafft, erliegt die Europäische Union der Kraft des Faktischen. Und das bedeutet in Europa nun mal: 28 Staaten mit 28 Meinungen werden vieles erreichen, aber keine Geschlossenheit. Vor allem nicht, wenn es um Sanktionen gegen Russland geht.

Zwei Denkschulen stehen sich gegenüber, wann immer über Sinn und Zweck von Sanktionen gestritten wird. Schule eins meint, Sanktionen verschärfen einen Konflikt nur, sie verstellen den politischen Weg, sie lösen eine Spirale von Druck und Gegendruck aus. Die zweite Schule besagt: Sanktionen wirken, auch wenn es lange dauern kann. Sie signalisieren einem unmittelbar bedrohten Volk auch Beistand und Entschlossenheit. Wer keine Sanktionen ergreift, signalisiert Schwäche und lädt - in diesem Fall Russland - zu den nächsten Übergriffen ein.

Im Falle der Ukraine ist der Regelverstoß Russlands derart eklatant, dass es schwerfällt, sich eine politische Lösung vorzustellen. Wird Russland die Krim etwa wieder verlassen, wenn die Sanktionen nur hart genug sind? Wird es seine Drohgebärden gegen Tataren und Unionisten auf der Halbinsel oder im Osten der Ukraine einstellen? Wird Moskau gar die neue Regierung in Kiew akzeptieren? Nichts deutet darauf hin, dass Vernunft einkehrt in diesen Konflikt. Vernunft wäre aber eine zwingende Voraussetzung für einen politischen Prozess. Offerten zu solch einem Verfahren gab es in den vergangenen Tagen genug - vor allem von der Bundesregierung.

Russland wird sich selbst isolieren

Auch wenn die Europäische Union nun nicht die große Sanktionskeule schwingt - die Wahrheit über die neuen Verhältnisse in der Ukraine und das Selbstverständnis Russlands wird einsickern wie Gift in den Blutkreislauf. Allein schon die Drohung mit dem Einzug ausländischer Investitionen als Gegenmaßnahme zu gezielten, individuellen Sanktionen des Westens wird jeden potenziellen Investor in jeden anderen Winkel der Erde treiben - aber eben nicht mehr nach Russland. Eine ukrainische Privatbank wurde in Moskau bereits unter Zwangsverwaltung gestellt.

Auch sonst macht sich Moskau nicht einmal die Mühe, die Eskalation zu bremsen: Das Votum des Krim-Parlaments wird von der russischen Duma mit einem Gesetz zur Eingliederung des ukrainischen Territoriums sekundiert. Das alberne Theater um die Identität der Soldaten auf der Halbinsel offenbart ein Maß an Entrücktheit, das jede Hoffnung auf Vermittlung durch die Kraft der Argumente erstickt.

Und dennoch ist es nicht falsch, der Willkür Entschlossenheit entgegenzusetzen. Flammt der Konflikt in der Ostukraine mit russischer Hilfe vollends auf, dann steht das Land vor einem flächendeckenden Bürgerkrieg. Die Europäische Union muss also zumindest die Kraft aufbringen, Unrecht auch als Unrecht zu benennen. Wer sich jetzt aus Furcht vor einer weiteren Eskalation von der Ukraine abwendet, wer die territoriale Integrität des Landes abschreibt, der kapituliert vor der Rohheit des Unrechts.

© SZ vom 07.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: