Russland:Putin: "Wir müssen die Spirale beenden"

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Russlands Präsident Wladimir Putin bei seiner Jahrespressekonferenz in Moskau. (Foto: REUTERS)
  • Wladimir Putin will bei der russischen Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2018 als unabhängiger Kandidat antreten.
  • Als Ziele für seine vierte Amtszeit nannte Putin die Modernisierung der Wirtschaft sowie des Gesundheits- und Bildungssystems.
  • Bei Putins Jahrespressekonferenz wurden auch die Spannungen mit den USA deutlich.
  • Putin lobte US-Präsident Trump, warnte aber gleichzeitig vor einer Eskalation in Nordkorea und warf den USA vor, sich nicht an Absprachen zur nuklearen Abrüstung zu halten.

Von Frank Nienhuysen, München

Kremlchef Wladimir Putin wird bei der russischen Präsidentschaftswahl Mitte März als unabhängiger Kandidat antreten. Vor seiner Rückkehr als Staatschef im Jahr 2012 war er noch mit viel Pathos von der Regierungspartei Einiges Russland nominiert worden. Er hoffe diesmal auf die Unterstützung mehrerer Parteien und der Gesellschaft, sagte Putin in einer Pressekonferenz vor mehr als 1600 russischen und ausländischen Journalisten. Eine Mehrheit für seine insgesamt vierte Amtszeit gilt als sicher; Putin käme damit auf 20 Jahre als Präsident. Vor der vergangenen Wahl war die Amtsdauer auf jeweils sechs Jahre verlängert worden. Auf die Frage eines russischen Journalisten, ob es ihm nicht langweilig sei ohne starken Herausforderer, sagte Putin, Konkurrenz sei wichtig, aber er könne sie ja nicht selber heranziehen.

Eine Herausforderin war allerdings im Saal und stellte auch eine Frage an Putin: Ksenia Sobtschak. Die regierungskritische Journalistin sprach Putin auf den Oppositionspolitiker Alexej Nawalny an und warf dem Präsidenten vor, dass Nawalny aus rein politischen Gründen von der Präsidentschaftswahl ausgeschlossen werde. "Warum hat der Staat Angst vor echter Konkurrenz?", fragte Sobtschak. Nawalny darf wegen einer äußerst fragwürdigen Bewährungsstrafe nicht antreten. Sobtschak war für den liberalen Internetsender Doschd (Regen) bei der Pressekonferenz akkreditiert, nachdem sie als Moderatorin vom staatlichen Fernsehen vor Jahren praktisch verbannt worden war. Sie ließ es sich aber nicht nehmen, auch von ihren Erfahrungen aus dem beginnenden Wahlkampf zu erzählen. Sie sagte, wie schwer es sei, für eine Veranstaltung überhaupt eine Halle zu finden, weil die meisten Vermieter aus angeblich technischen Gründen absagten. "Die Leute haben einfach Angst", sagte Sobtschak.

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Putin wiederum fragte: "Was schlagen Sie vor?" Sie trete mit dem Motto "gegen alle" an und habe dabei kein Programm anzubieten. Wie immer vermied es der Präsident, Nawalny beim Namen zu nennen, verglich ihn jedoch mit dem ehemaligen georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili, der derzeit in der Ukraine lauthals Stimmung gegen den dortigen Präsidenten Petro Poroschenko macht. Die russische Opposition mache eine Menge Lärm, habe dem Land aber wenig zu bieten.

Für die Probleme in der Wirtschaft macht er das Ausland verantwortlich

Als wichtigste Ziele im Falle seiner Wiederwahl nannte Putin die Modernisierung der Wirtschaft, des Gesundheits- und Bildungssystems sowie mehr Wohlstand für die Bevölkerung. Obwohl er bereits seit dem Jahr 2000 als Präsident oder Premier regiert, liegt Russland in all diesen Bereichen weit hinter den großen Industrienationen zurück. Putin zeigte sich wenig selbstkritisch und machte vor allem westliche Sanktionen und gefallene Energiepreise für die Wirtschaftsprobleme verantwortlich - beanspruchte aber für sich, dass in zwei Jahrzehnten Renten, Geburtenrate und Lebenserwartung gestiegen seien.

Sichtbar wurden am Donnerstag auch die Spannungen mit den USA. Putin warf den Amerikanern vor, dass sie es seien, die "faktisch aus den Abrüstungsverträgen bereits ausgestiegen" seien. Über das Raketenabwehrsystem in Rumänien etwa sagte er, es sei leicht, von dort aus Mittelstreckenraketen abzufeuern. Sowohl Washington als auch Moskau beschuldigen einander, den INF-Vertrag aus dem Jahr 1987 und das Verbot von nuklearen Mittelstreckenraketen zu unterlaufen. Die US-Regierung glaubt, Russland habe entsprechende Raketen gebaut und drohte damit, eigene Waffensystem zu entwickeln, sollte Russland den Vertrag verletzen. Der Kremlchef beteuerte nun seinerseits, "wir haben nicht vor, aus dem Vertrag auszusteigen".

Auf die Frage eines russischen Journalisten, ob angesichts der sozialen Probleme in Russland die eigenen Militärausgaben denn nicht zu hoch sein könnten, rechnete Putin vor, dass Russland 46 Milliarden Dollar für den Verteidigungshaushalt bereitstelle, die USA dagegen 700 Milliarden Dollar. "Kann sich unser Land eine solche Summe leisten", fragte er mit Blick auf die US-Ausgaben? Und antwortete gleich selber, "nein. 46 Milliarden Dollar genügen." Der Putin-Freund und frühere langjährige Finanzminister Alexej Kudrin hat Moskau allerdings immer wieder vorgehalten, dass der russische Militäretat zu groß sei und dem Land wirtschaftlich schade.

Auch in der Nordkorea-Krise machte Putin den Amerikanern Vorwürfe. Der Kongress habe das "verschlossene" Nordkorea mit Iran gleichgesetzt und durch diverse Sanktionen Pjöngjang praktisch zur Fortsetzung seines Atomprogramms veranlasst. Er lobte aber Äußerungen von US-Außenminister Rex Tillerson, der Gespräche mit Pjöngjang angeregt hatte. "Wir müssen die Spirale beenden", sagte Putin. Kontakte im Wahlkampf zum Team von Donald Trump spielte er als "gängige Praxis" herunter, die mutmaßliche Einmischung Russlands nannte er sogar "erfunden".

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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