Kampf ohne Regeln:Wenn der Herrscher seine Söhne zum "Kampf ohne Regeln" schickt

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Sein Wort gilt in Tschetschenien: Republikchef Ramsan Kadyrow verfügt über eine große Machtfülle, was auch in Moskau immer wieder mit Misstrauen gesehen wird. (Foto: Musa Sadulayev/AP)

Ramsan Kadyrow prahlt mit den Erfolgen seiner Söhne bei einem Kampfsport-Turnier. Ein russischer Funktionär ist empört, wenig später wird seine Tochter verprügelt. Ein Zufall?

Von Julian Hans, Moskau

Es ist wieder der alte Streit, welches Gesetz eigentlich gilt in Tschetschenien: das der russischen Föderation? Das der tschetschenischen Tradition? Oder doch nur das Wort und die Willkür des Herrschers Ramsan Kadyrow? Seit dem Ende des zweiten Tschetschenienkrieges 2009 ist die Kaukasus-Republik zwar formell Moskau unterstellt. Aber in jüngster Zeit bricht der Konflikt immer öfter an die Oberfläche.

Sei es, wenn russische Sicherheitsbehörden mutmaßliche Hintermänner des Mordes am Oppositionellen Boris Nemzow in Tschetschenien weder festnehmen noch befragen können. Sei es bei scheinbaren Nichtigkeiten, wie einem Streit um ein Sportturnier für Kinder. Neuestes Opfer wurde nun offenbar ein unbeteiligtes 16-jähriges Mädchen.

Die Vorgeschichte begann vor einer Woche. Am 4. Oktober wurde in der Gebietshauptstadt Grosny der Grand Prix Achmat 2016 ausgetragen, ein Turnier für Mixed Martial Arts (MMA), bei denen Techniken aus unterschiedlichen Kampfstilen kombiniert werden. Die russische Bezeichnung für den Sport ist "Kampf ohne Regeln".

Kinder unter zwölf Jahren dürfen beim Kampf gar nicht erst zuschauen

Es gab einen besonderen Anlass für das Sportfest, denn es gab etwas zu feiern: Es war der Vorabend von Ramsan Kadyrows 40. Geburtstag. An diesem Tag sollte auch die neuerliche Amtseinführung des Republikchefs gefeiert werden. Bei den Wahlen am 18. September war er laut offiziellem Ergebnis mit 97,94 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden. Glaubt man der Wahlkommission, dann haben von den 1,4 Millionen Tschetschenen 94 Prozent ihre Stimme abgegeben.

Niemand jenseits des Kaukasus hätte wohl dem Prügelfest Beachtung geschenkt, hätte nicht Kadyrow auf Instagram mit den Erfolgen seiner Söhne geprahlt: Der zehnjährige Achmat, der neunjährige Eli und der achtjährige Adam gewannen alle Kämpfe gegen gleichaltrige - Achmat sogar durch einen Knock-out.

Alarmiert von der öffentlichen Entrüstung über die ohne Kopfschutz kämpfenden Kinder meldete sich auch Fjodor Jemaljanenko zu Wort, der Vorsitzende des russischen MMA-Verbandes. Jemaljanenko kann man schwerlich zu jenen verweichlichten Liberalen rechnen, die normalerweise ins Visier Kadyrows geraten, weil sie angeblich nach der Pfeife Washingtons tanzen. Der in Luhansk in der Ostukraine geborene Sportler ist mehrfacher Schwergewichtsweltmeister und saß für die Kreml-Partei Einiges Russland in einem Regionalparlament, bis er als Berater ins Sportministerium nach Moskau wechselte.

Was auf dem Turnier in Grosny vorgefallen sei, sei "unzulässig und durch nichts zu rechtfertigen", erklärte der Verbandschef und erinnerte daran, dass es selbst im "Kampf ohne Regeln" einige Regeln gibt: Sportler unter 21 Jahren müssten bei Wettkämpfen Helme und Schutzkleidung tragen, "ganz zu schweigen davon, dass Kinder unter zwölf Jahren nicht einmal als Zuschauer zugelassen sind. Aber hier schlagen sich Achtjährige vor begeisterten Erwachsenen". Im Kaukasus spielt Kampfsport indes eine besondere Rolle, die nicht in Vereinsstatuten festgeschrieben ist.

Ramsan Kadyrow
:Putins Soldat

Ramsan Kadyrow, Oberhaupt der russischen Teilrepublik Tschetschenien, nennt sich selbst den "weltweit größten Feind der Terroristen". Deshalb keilt er gegen Islamisten genauso wie gegen "Antiislamismus" - aber vor allem gegen seine Kritiker.

Von Julian Hans

Der Schlag traf die Tochter so hart, dass sie drei Tage im Krankenhaus blieb

Öffentliches Kräftemessen ist Teil der Tradition und des ausgeprägten Männlichkeitskults. Dazu kommt, dass Kampfsport heute fast die einzige Möglichkeit für junge Männer aus der von Arbeitslosigkeit geprägten Region ist, es mit Talent und Fleiß zu etwas zu bringen. Ohne die Ringer, Boxer und Judokas aus den Bergen wären Russlands Nationalmannschaften nicht halb so stark.

Eine besondere Rolle spielt aber auch die Familienehre. Da Kadyrow seine Herrschaftselite bevorzugt aus Verwandten rekrutiert, lässt sie sich hervorragend als Motiv missbrauchen, um gegen Kritiker vorzugehen. Adam Delimchanow, Abgeordneter der Staatsduma und Kadyrows Vetter, drohte auf Instagram, Jemaljanenko werde "für jedes Wort zur Verantwortung gezogen", das dieser gegen die Kinder Kadyrows gesagt habe.

Am Donnerstag dann bestätigte Wladimir Putins Sprecher Dmitrij Peskow, was Moskauer Zeitungen schon Anfang der Woche berichtet hatten: Jemaljanenkos 16 Jahre alte Tochter wurde am Wochenende in der russischen Hauptstadt auf der Straße überfallen und verprügelt. Ein Schlag auf die Brust traf das Mädchen so hart, dass es drei Tage lang in einem Krankenhaus behandelt werden musste. Die Polizei leitete ein Ermittlungsverfahren ein.

Peskow warnte davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. Ein Zusammenhang zwischen der Attacke auf das Mädchen und der "gesellschaftlichen und sportlichen Tätigkeit ihres Vaters" habe sich bislang nicht bestätigt. Der Präsident sei über den Fall informiert. Der mehrmalige Schwergewichtsweltmeister Jemaljanenko indes schweigt seit dem Vorfall.

Ein Video des Kampfes unter: bit.ly/akadyrow

© SZ vom 14.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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