Rostock:Neuntklässler gegen NPD-Kader

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Neuntklässler wollen am Weltbild der NPD kratzen. (Foto: dpa)
  • In einem Rostocker Gymnasium diskutierten Neuntklässler mit dem NPD-Landtagsabgeordneten David Petereit und dem AfD-Kandidaten Holger Arppe.
  • Der Direktor verteidigt die Schüler. Man wolle sie so gegen rechtspopulistisches und rechtsextremes Gedankengut wappnen.
  • Fraglich ist, ob eine solche Begegnung wirklich pädagogisch sinnvoll ist.

Von Antonie Rietzschel

Mecklenburg-Vorpommern ist die letzte Hochburg, die der NPD noch geblieben ist. Hier sitzt sie noch im Landtag, Parteikadern gehören mehrere Immobilien, die Verbindungen zur kameradschaftlichen Szene sind immer noch eng. Zu verdanken ist das auch Menschen wie David Petereit. Der sitzt nicht nur für die NPD im Landtag, sondern galt als führender Kopf der Kameradschaft Mecklenburgische Aktionsfront. Im vergangenen Jahr wurde er wegen Volksverhetzung verurteilt.

Neuntklässler des Innerstädtischen Gymnasiums in Rostock luden Petereit nun kürzlich in ihre Schule ein - gemeinsam mit dem AfD-Landtagskandidaten Holger Arppe. Auch er ist bereits in erster Instanz wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Die Schüler führten im Rahmen eines Projekts ein Streitgespräch mit den beiden Männern, was nun zu großer Empörung führt. "Die Schule hat sich verantwortungslos verhalten", sagte Simone Oldenburg, Bildungsexpertin der Linken und selbst Lehrerin laut Ostsee-Zeitung. Auch das Kultusministerium beschäftigt sich mit dem Vorfall.

Die Schüler fühlen sich missverstanden

Der Direktor des Innerstädtischen Gymnasiums, Thomas Döring, kann die Aufregung nicht verstehen. Seine Schule habe sich immer gegen Rechtsextremismus gestellt. Als die Jugendorganisation der NPD vor der Schule CDs verteilte, versammelten sich Schüler zu einer spontanen Gegendemonstration. Dass man Rechtsextremen ein Forum bietet, diesen Vorwurf verbittet sich Döring. Die Schule habe es sich von jeher zur Aufgabe gemacht, dass sich ihre Schüler unter Anleitung selbständig und kritisch mit Themen der Gegenwart auseinandersetzen.

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So ist auch die "Geschichtswerkstatt" entstanden. Im Rahmen des Projektes beleuchten Schüler derzeit verschiedene aktuelle rechtspopulistische und rechtsextreme Entwicklungen - und Gegenstrategien. Betreut werden sie von einem Lehrer. Einige Schüler beschäftigen sich mit dem rechtsextremen Pegida-Ableger MVgida, andere mit den Stolpersteinen. Zwei weitere Gruppen befassen sich jeweils mit NPD und AfD. Ob Letztere allein von der Flüchtlingskrise profitiere, war eine der Forschungsfragen der Schüler. In Teams bereiteten sie sich auf ihre Gesprächspartner Petereit und Arppe vor, entwarfen einen umfassenden Fragekatalog.

Döring war der Besuch eines AfD- sowie eines NPD-Politikers angekündigt worden, Details kannte er nicht. "Hätte ich gewusst, dass die beiden wegen Volksverhetzung verurteilt wurden, hätte ich kurz gezögert", so der Direktor. Doch grundsätzlich stehe er weiter hinter dem Projekt. "Rechtsextremismus ist nicht mehr nur ein Randphänomen. Wenn wir junge Menschen wappnen wollen, müssen wir ihnen die Möglichkeit geben, sich intensiv mit dem Gedankengut auseinanderzusetzen", so Döring. Unter den Schülern sei die Enttäuschung groß, dass Politiker, Journalisten sowie das Kultusministerium kein Vertrauen in sie hätten. Dass ihnen unterstellt würde, sie könnten sich nicht kritisch mit Rechtspopulismus und Rechtsextremismus auseinandersetzen. Sie fühlen sich missverstanden.

Rhetorisch geschulter Kader trifft auf Neuntklässler

Im vergangenen Jahr hatte eine Lehrerin in Berlin-Köpenick das verbotene Horst-Wessel-Lied, die Parteihymne der NSDAP durchgenommen. Die Schüler sollten das Lied mitsingen und das Marschieren imitieren. Eigenen Angaben zufolge wollte die Lehrerin so die Wirkung nationalsozialistischer Propaganda thematisieren. Der Fall warf die Frage auf, wie weit Schule eigentlich gehen darf. Nach dem Auftritt Petereits und Arppe in Rostock stellt sich nun die Frage, inwiefern eine Begnegnung mit Volksverhetzern wirklich eine wirksame präventive Maßnahme gegen rechtsextremes Gedankengut sein kann.

Michael Hammerbacher berät für den Verein Devi Schulen im Umgang mit Rechtsextremismus. Streitgespräche mit Vertretern aus der rechtspopulistischen und rechtsextremen Szene lehnt er nicht grundsätzlich ab. "Eine solche Begegnung muss aber pädagogisch gut vorbereitet sein. Die Schüler müssen angeleitet werden, sich im Gespräch kontrovers mit den Positionen auseinanderzusetzen", so Hammerbacher. Das sei besonders in der heutigen Zeit wichtig, da fremdenfeindliches Gedankengut auch in der gesellschaftlichen Mitte weit verbreitet sei.

Schwierig findet Hammerbacher jedoch, dass in dem Rostocker Gymnasium mit Petereit ein rhetorisch geschulter Parteikader aufgetreten ist. "Solche Leute haben ein dichtes Weltbild und können argumentativ alles begründen", so Hammerbacher. Er bezweifelt, dass Neuntklässler bereits die nötige Reife hätten, jemandem wie Petereit rhetorisch beizukommen.

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Darum sei es auch letztlich gar nicht unbedingt gegangen, sagt der Lehrer, der die Schüler betreut. " Herr Petereit hat sich nicht verunsichern lassen, aber die Schüler waren trotzdem extrem kritisch und konnten die Aussagen Petereits nicht mit ihren Wertvorstellungen in Einklang bringen", sagt Steffen Kliewe. Er war auch während des Gesprächs dabei. "Hätte ich bemerkt, dass Herr Petereit versucht, die Schüler zu beeinflussen, hätte ich sofort eingegriffen." Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Problemlos verlief offenbar auch die Auseinandersetzung mit AfD-Landtagskandidat Holger Arppe. Ihn fragten die Schüler, ob eine multikulturelle Gesellschaft nicht auch Chancen berge. Darauf soll Arppe lediglich geantwortet haben, das sei sinnlos. "Dass der AfD-Politiker keinerlei Argumente vorbringen konnte, hat die Schüler schockiert."

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