Thüringen:Ramelow darf als Ministerpräsident nicht vor der NPD warnen

Bodo Ramelow

Eine Äußerung von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) verstößt gegen die Verfassung.

(Foto: dpa)
  • Mit einer öffentlichen Warnung vor der NPD hat Thüringens Ministerpräsident Ramelow gegen seine Neutralitätspflicht verstoßen, urteilt das dortige Verfassungsgericht.
  • Ramelow sieht in der Entscheidung "wertvolle Hinweise".
  • Seine Partei Die Linke spricht hingegen von einem "Maulkorb".

Die rechtsextreme NPD hat sich mit einer Verfassungsklage gegen den Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke) durchgesetzt. Ramelow habe mit einer Äußerung zur NPD vor einem Jahr gegen seine Neutralitätspflicht als Ministerpräsident verstoßen, entschied der Thüringer Verfassungsgerichthof in Weimar.

Zudem habe er das Grundrecht der Partei auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzt. Dieses Recht folge aus Artikel 21 des Grundgesetzes. Das Neutralitätsgebot gelte für amtliche Tätigkeiten von Amtsinhabern, befanden die Richter. Die Entscheidung sei mit acht zu eins Stimmen ergangen, teilte das Gericht mit. Ein Verfassungsrichter habe ein Sondervotum abgegeben. (5/2016 - VerfGH 25/15)

Worum es in dem Rechtsstreit geht

Hintergrund des Rechtsstreits ist ein Interview Ramelows mit MDR Thüringen vom Juni 2015. Dabei hatte Ramelow unter anderem geäußert: "Ich appelliere an alle demokratischen Parteien und ihre Vertreter, dass es wirklich keine Gemeinsamkeiten auf der Basis von NPD-Anträgen geben darf." Und zudem: "Die Nazis werden damit aufgewertet."

Als nicht verbotene Partei könne sich die NPD auf das aus Artikel 21 des Grundgesetzes folgende Recht auf Chancengleichheit der politischen Parteien berufen, begründeten die Richter ihre Entscheidung. Zwar gelte das Neutralitätsgebot nur für amtliche Tätigkeiten von Amtsinhabern und nicht "bei ihrem Tätigwerden als Privatperson oder als Parteipolitiker", doch seien die monierten Äußerungen Ramelow in seiner Funktion als Ministerpräsident zuzurechnen.

Ausschlaggebend für eine Qualifizierung als amtliche Äußerung sei gewesen, dass das Interview auch durch die Nutzung staatlicher Ressourcen verbreitet worden sei. Es wurde auf dem Twitter-Account der Thüringer Staatskanzlei verlinkt und auf der Facebook-Seite des Freistaats Thüringen eingebunden.

Daher sei Ramelows Appell als unzulässig bewertet worden. Das gelte auch für die Bezeichnung "Nazis", die hier zur Begründung des unzulässigen Appells diente. Nicht zu entscheiden sei indes gewesen, ob die Bezeichnung "Nazis" als negatives Werturteil generell unzulässig sei.

Ramelows Reaktion

Ramelow teilte in einer ersten Stellungnahme mit, er respektiere das Urteil. Zum einen müsse die Staatskanzlei akzeptieren, dass allein die Weiterverbreitung journalistischer Inhalte über die offiziellen Kanäle des Freistaates diese "zum Amtsblatt" aufwerteten. Vor diesem Hintergrund bekomme die Macht der Medien "einen ganz neuen Drall".

Zum anderen müsse er selbst an der "Trennschärfe" seiner Auftritte als Ministerpräsident, Parteipolitiker und Privatmann arbeiten. Dafür habe der Verfassungsgerichtshof "wertvolle Hinweise" gegeben.

Ramelow erinnerte in diesem Zusammenhang an das von den Bundesländern angestrengte NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe. Mit seinem Appell habe er auf die Konsequenzen für das laufende Verfahren aufmerksam machen wollen, wenn die rechtsextreme Partei dort auf eine Zusammenarbeit mit den demokratischen Parteien verweisen könnte.

Diese Einschätzung deckt sich mit der Auffassung des Verfassungsrichters Jens Petermann. Dieser hatte in einem Sondervotum festgestellt, dass "die dem NPD-Verbotsverfahren innewohnende politische Grundhaltung auch von der Thüringer Landesregierung unter Leitung von Ministerpräsident Ramelow mitgetragen" werde. Der Appell sei Ausdruck dessen. Ramelow müsse sich deshalb auch nicht auf eine Rolle als Parteipolitiker reduzieren lassen.

Linke spricht von einem "Maulkorb"

Im Gegensatz zu Ramelow kritisierte seine Partei die Entscheidung des Thüringer Gerichts. Die Linke vertrat in einer ersten Reaktion die Ansicht, die Entscheidung der Verfassungsrichter komme einem "Maulkorb" für Politiker gleich.

"Auch ein Ministerpräsident muss sich als Bürger und Politiker klar in der Auseinandersetzung zur Politik anderer Parteien äußern können", erklärte die Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow in Erfurt. Dies gelte besonders für die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus. Das Urteil wurde von acht der neun Richter getragen.

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