Urteil zur Richterbesoldung:Der Preis einer guten Justiz

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Karlsruhe sagt, dass manche Richter zu wenig verdienen. Das Urteil mag nicht populär sein, aber es ist richtig. Denn längst zahlen Großkanzleien sechsstellige Einstiegsgehälter für Jura-Absolventen.

Kommentar von Wolfgang Janisch

Deep Thought, der Supercomputer aus Douglas Adams' "Per Anhalter durch die Galaxis", hat siebeneinhalb Millionen Jahre gebraucht, um die Antwort auf die "Große Frage" nach dem Leben, dem Universum und allem zu finden. Sie wird euch nicht gefallen, warnte Deep Thought das intergalaktische Publikum.

Sie lautet: zweiundvierzig. Fünf Monate hat das Bundesverfassungsgericht benötigt, um ein kompliziertes Problem zu lösen: ob die Richter in Deutschland zu wenig verdienen. Das Gericht hat eine komplexe Formel aus Tariflöhnen, Nominallohn, Verbraucherindex und Besoldungsvergleich entworfen, sogar die Schuldenbremse spielt hinein. Herausgekommen ist: Die Richterbesoldung ist verfassungswidrig. In Sachsen-Anhalt, in der untersten Besoldungsgruppe.

Ein Minimalresultat? Nicht unbedingt. Denn ob den mehr als 25 000 Richtern und Staatsanwälten die Antwort aus Karlsruhe gefällt, wird sich erst nach einer Weile herausstellen. In den Bundesländern speisen sie nun die neue Weltformel für Juristenlöhne in ihre Computer ein. Wahrscheinliches Ergebnis: Weitere Länder werden den Richtersold anheben müssen. Vielleicht nicht flächendeckend, aber für einzelne Gruppen.

In Top-Kanzleien steigen Juristen mit 100 000 Jahresgehalt ein

Die "Große Frage" des Verfassungsstreits lautet: Ist es angemessen, Richtern qua Grundgesetz einen Zuschlag zu gewähren? Wer Normalverdiener fragt, der bekommt unweigerlich den Hinweis auf die hohen Richterpensionen zur Antwort. Zwar ist es zutreffend, dass Richter bei der - freilich inzwischen abgesenkten - Altersversorgung privilegiert sind; dass das Verfassungsgericht hier wachsweiche Kriterien wie das "Ansehen des Amtes" ins Spiel bringt, wird den Sozialneid eher schüren.

Trotzdem ist das Urteil im Kern richtig. Denn die Karlsruher Formel, so kompliziert sie im Detail anmutet, besagt im Grunde eines: Richter und Staatsanwälte dürfen von der allgemeinen Entwicklung der Löhne und Preise nicht abgehängt werden. Dass in den unter Spardruck stehenden Ländern hierzu eine gewisse Neigung besteht, hat mit dem Streikverbot der Richter zu tun. Sie können eben nicht, breitbeinig wie Weselsky, mal schnell die systemrelevante Infrastruktur Justiz lahmlegen. Das Verfassungsgericht fungiert deshalb als eine Art Gewerkschaftsersatz und hat nun einen nachprüfbaren Rahmen geschaffen: In Zukunft lässt sich die Verfassungswidrigkeit des Richtersolds ausrechnen. Dass die Länder gleichwohl ihren Spielraum behalten, dafür sorgt der Hinweis auf die Schuldenbremse. Sparnöte können zu Einbußen beim Gehalt führen - dann aber für den gesamten öffentlichen Dienst.

Urteil des Bundesverfassungsgerichts
:Richtersold in Sachsen-Anhalt ist verfassungswidrig

Haben die 25 000 Richter und Staatsanwälte in Deutschland Anspruch auf höhere Gehälter? Nein, urteilen die Kollegen von der obersten Instanz in Karlsruhe. Einzige Ausnahme ist Sachsen-Anhalt.

Das zentrale Argument aber ist: Die Republik braucht gute Richter, sehr gute sogar. Man möge nur einmal in den Verhandlungssaal B 273/II des Landgerichts München I blicken. Dort leitet Peter Noll die Verhandlung in Sachen Deutsche Bank, im Saal versammelt ist die Elite der deutschen Strafverteidiger - dagegen kann ein mittelmäßiger Richter nicht bestehen. Und wer einen ruinösen Bauprozess am Hals hat oder ein teures Scheidungsverfahren, wer einen existenziellen Streit um das Sorgerecht seiner Kinder führt oder auf Entschädigung wegen eines Arztfehlers bei der OP klagt: Keiner möchte von Richtern beurteilt werden, die mit Not durchs Staatsexamen gerutscht sind.

Die Gerichte konkurrieren um die besten Absolventen inzwischen mit Großkanzleien, die 100 000 Euro im Jahr zahlen - für Berufsanfänger. Geld ist ein Kriterium für die Qualität der Justiz, da darf man sich keine Illusionen machen: Es geht, in Zeiten teils pauschaler Schelte, darum, Fehlerrisiken in der Justiz klein zu halten. Wenn Deep Thought aus Karlsruhe richtig gerechnet hat, dann wird die neue Besoldungsformel dazu beitragen.

© SZ vom 06.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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