Resolutionsentwurf:Koalition spricht indirekt von Völkermord an Armeniern

  • Ist der Massenmord an den Armeniern vor 100 Jahren ein Völkermord gewesen? Die Fraktionsspitzen von Union und SPD haben sich nun auf eine Formulierung geeinigt, in der der Begriff zumindest vorkommt.
  • Auch die Bundesregierung stellt sich hinter die Formulierung des Resolutionsentwurfs.
  • Das Auswärtige Amt hatte sich lange dagegen gewehrt, dass der Begriff des Völkermords in der Resolution auftaucht. In der SZ hatte Außenminister Steinmeier allerdings ein Einlenken signalisiert.
  • Die Verwendung des Begriffs könnte womöglich zu Verstimmungen zwischen Ankara und Berlin führen.

Fraktionsspitzen einig über Formulierung zu Armeniern

Im Zusammenhang mit Massakern an den Armeniern vor 100 Jahren wollen die Fraktionsspitzen von Union und SPD nun doch den Begriff des Völkermords verwenden. Das Schicksal der damals vertriebenen und getöteten Armenier stehe "beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von denen das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist", heißt es nun in einem Resolutionsentwurf.

Weiter heißt es in dem Antrag: "Dabei wissen wir um die Einzigartigkeit des Holocaust, für den Deutschland Schuld und Verantwortung trägt." Der Bundestag soll die Resolution am Freitag im Rahmen des Gedenkens an die Massaker verabschieden.

In dem bisherigen Entwurf des Koalitionsantrags war der Begriff zunächst nur in der Begründung verwendet worden, nun rückte er in den Haupttext. Unionfraktionsvize Franz Josef Jung (CDU) und SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich erklärten, es sei zu einer Verständigung gekommen, "die die verschiedenen Standpunkte innerhalb der Fraktionen weitestgehend umfasst". Der Saarbrücker Zeitung sagte Jung: "Wenn man eine Situation so beschreibt, wie sie war, dann ist das keine Provokation."

Kanzlerin Merkel steht hinter Resolutionsentwurf

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Bundesregierung machen sich die Formulierung der Fraktionsspitzen zu eigen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, die Bundesregierung stehe hinter dem Resolutionsentwurf.

Vermutlich wird auch Bundespräsident Joachim Gauck bei einer Gedenkveranstaltung der Kirchen im Berliner Dom am Donnerstag das Wort Völkermord verwenden. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, verwies darauf, dass es einen Austausch zwischen Regierung und Bundespräsidialamt "genau in dieser Frage" und Impulse gegeben habe. Auf die Frage, ob sich die Bundesregierung nun auf Spannungen mit Ankara einstellen müsse, sagte Schäfer: "Das warten wir jetzt mal ab."

Steinmeier: Begriff Völkermord ist nachvollziehbar

Zuvor war Außenminister Frank-Walter Steinmeier in der Debatte über die Bewertung der türkischen Gräueltaten an den Armeniern auf Kritiker im Bundestag zugegangen. Der SPD-Politiker sagte der Süddeutschen Zeitung, man könne "das, was damals geschehen ist, in dem Begriff des Völkermords zusammenfassen wollen, und ich kann die Gründe dafür und erst recht die Gefühle dazu gut verstehen".

Bis dahin hatte das Auswärtige Amt die Auffassung vertreten, der Begriff sollte auf keinen Fall in einem entsprechenden Antrag der Koalitionsfraktionen auftauchen. Noch am Sonntagnachmittag umging Steinmeier den Begriff. "Verantwortung heißt eben, Verantwortlichkeit nicht auf einen einzigen Begriff zu reduzieren", sagte er in der ARD auf die Frage, ob es sich bei den Massakern um Völkermord gehandelt habe.

Erbitterte Position Ankaras

Ankara wehrt sich dagegen, die systematische Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich - dem Vorläuferstaat der Türkei - als Genozid zu bezeichnen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan verbat sich die Wertung des Massakers als Völkermord.

"Wir werden es nicht zulassen, dass historische Vorfälle aus ihrem Zusammenhang gerissen werden und als Instrument für Kampagnen gegen unser Land verwendet werden", hatte er nach einer Rede von Papst Franziskus erklärt, in der der Massenmord an den Armeniern als Genozid bezeichnet wurde.

Die Türkei räumt ein, dass bei Massakern und Deportationen 1915 und 1916 armenische Christen durch osmanische Truppen getötet wurden. Sie bestreitet aber, dass es Hunderttausende waren und dass es ein Völkermord gewesen sei.

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