Regierungserklärung zum Nato-Gipfel:Merkel will Russland abschrecken

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  • In ihrer Regierungserklärung vor dem Nato-Gipfel in Warschau rechtfertigt Bundeskanzlerin Angela Merkel die Pläne der Allianz.
  • Die Nato will je 1000 Soldaten in den baltischen Staaten und Polen stationieren, um Russland abzuschrecken.
  • Aber "dauerhafte Sicherheit in Europa ist nur mit und nicht ohne Russland zu erreichen", betont die Kanzlerin.

Von Markus C. Schulte von Drach

Vor dem Nato-Gipfel in Warschau am Freitag und Samstag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Regierungserklärung Russland kritisiert. Wegen Moskaus Vorgehen in der Ukraine gebe es einen Vertrauensverlust. Insbesondere die Nato-Mitglieder in Osteuropa seinen "zutiefst verstört" und "bedürfen daher einer eindeutigen Rücksicherung durch die Allianz".

Russland hatte nach Unruhen in der Ukraine die Krim-Halbinsel annektiert und Rebellen im Osten des Landes militärisch unterstützt, die dort noch immer gegen Regierungstruppen kämpfen. Dadurch, so Merkel, sei das Grundprinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen in Frage gestellt worden.

Merkel rechtfertigte so Manöver der Nato in Osteuropa sowie die Verlegung von Soldaten dorthin, die gewährleisten sollen, dass die Truppen noch schneller und effektiver "auf Szenarien regieren" können "wie in der Ukraine". Es reiche nicht, Soldaten in Krisensituationen schnell verlegen zu können. Vielmehr müsse das Bündnis im Baltikum und in Polen auch stärker Präsenz zeigen.

Auf dem Nato-Gipfeltreffen soll deshalb die Stationierung von je einem Bataillon mit etwa 1000 Soldaten in jedem der drei baltischen Staaten und in Polen beschlossen werden. Die Bundeswehr soll das Bataillon in Litauen mit mehreren Hundert Soldaten anführen.

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Während Merkel die Verantwortung für die Spannungen in Europa Russland zuschob und warnte, "ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle", signalisierte sie zugleich die Bereitschaft zu neuen Gesprächen mit Moskau: "Das klare Bekenntnis zur Solidarität mit unseren Bündnispartnern und die ausgestreckte Hand zum Dialog, das sind keine Gegensätze, das gehört untrennbar zusammen." Schließlich sei "dauerhafte Sicherheit in Europa nur mit und nicht ohne Russland zu erreichen".

Sie erinnerte an die Bedeutung der Nato-Russland-Grundakte von 1997, die von Russland in der Ukraine verletzt worden sei. Trotzdem sollte der von Nato und Russland eingerichtete Rat (NRR) dringend wieder zusammenkommen, um über gemeinsame Schritte in der Terrorbekämpfung zu sprechen, sowie über den geplanten Raketenschutzschirm der Nato, den Russlands Präsident kürzlich als Bedrohung kritisiert hat. Merkel zufolge richte sich ein solcher Schirm nicht gegen Russland. Die Nato reagiert ihr zufolge auf das fortbestehende Raketenprogramm Irans.

Ein neuer Russland-Nato-Dialog wäre auch von großer Bedeutung, um über die amerikanischen und russischen Nuklearwaffen zu sprechen - mit dem Ziel, eine Welt ohne solche Waffen zu erreichen.

Vom 7. bis zum 17. Juni 2016 nahmen insgesamt mehr als 30 000 Soldaten aus Nato-Staaten und befreundeten Ländern an einem der größten Manöver der vergangenen Jahre teil. 12 000 polnische und 14 000 US-amerikanische Soldaten sowie einige Tausend Militärs aus anderen Ländern simulierten im Rahmen von Anakonda 2016 einen Angriff an der Ostgrenze der Nato. (Foto: SZ.de)

Weitere strategische Herausforderungen für die Nato sind Merkel zufolge der Bürgerkrieg in Syrien, der Zerfall der staatlichen Ordnung im Irak und in Syrien und der Terror etwa durch Anhänger des Islamischen Staates, der auch Europa bedrohe. "Unsere Welt heute ist eine Welt in Unruhe", sagte Merkel.

Bei der Lösung der "gewaltigen Aufgaben, zum Frieden beizutragen", dürften militärische Mittel zwar immer nur ein Baustein sein. Merkel zufolge wird die Nato sich jedoch auch stärker engagieren, um das Treiben der Schleuser in der Ägäis zu bekämpfen, und den Einsatz im Mittelmeer zur Terrorabwehr intensivieren.

Merkel erklärte auch, wieso der geplante Einsatz von Nato-Flugzeugen im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gerechtfertigt sei. "Durch Nato- Awacs können wir den Einsatz unserer Aufklärungs- Tornados im türkischen İncirlik sinnvoll ergänzen." Bei einem solchen Einsatz würden voraussichtlich auch deutsche Soldaten zum Einsatz kommen.

Deutliche Kritik an Merkels Erklärung übte Sahra Wagenknecht, Linken-Fraktionschefin. Die Nato-Manöver unlängst in Polen seien "martialische Kriegsübungen mit deutscher Beteiligung" gewesen. Die Reden einer russischen Bedrohung für das Baltikum bezeichnete sie als "Schwachsinn". Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter gab seiner Sorge Ausdruck, dass "ein Wiedereinstieg in die Aufrüstungsspirale" eher nicht die richtige Antwort" auf das russische Vorgehen sei. Er unterstützte allerdings den Grundsatz der Bündnissolidarität.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann stellte sich eindeutig hinter die Nato-Pläne für Osteuropa. "Mit der Annexion der Krim hat Russland Grenzen gewaltsam verschoben und die Friedensordnung in Europa in Frage gestellt", machte auch er Russland für die Konfrontation verantwortlich. Zugleich warnte er aber vor einer neuen Spirale der Eskalation. Die Nato müsse nicht "auf jedes russische Manöver mit einem eigenen Manöver antworten".

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