Prozess gegen Tunesiens Ex-Diktator:Ben Ali erneut zu Haft verurteilt

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Im zweiten Prozess gegen Tunesiens ehemaligen Diktator Ben Ali ging es um Waffen und "zwei Kilo minderwertiges Haschisch". Nach wenigen Stunden wurde er zu 15 Jahen Haft verurteilt - zusätzlich zu den 35 Jahren aus dem ersten Urteil. Viele im Land glauben an einen Schauprozess.

Rudolph Chimelli

Der nach Saudi-Arabien geflohene Ex-Präsident Tunesiens, Zine el-Abidine Ben Ali, ist am Montag in seiner Heimat wegen Waffen- und Drogenbesitzes zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Ben Ali und seine Frau Leila Trabelsi waren bereits im Juni wegen Veruntreuung öffentlichen Gelder sowie der illegalen Aneignung eines Millionenschatzes von Bargeld und Juwelen zu 35 Jahren Gefängnis sowie 45 Millionen Euro Geldstrafe verurteilt worden. Diesmal lautete die Anklage auf den Besitz von Rauschgift und Waffen sowie die illegale Aneignung archäologischer Fundstücke, die alle nach der Revolution vom Januar in seinem Palast von Karthago entdeckt worden waren.

Vor dem Gerichtssaal in Tunis taten Tunesier ihren Unmut kund - die einen wegen Ben Alis Verbrechen, die anderen, weil sie den Prozess gegen ihn für ein Schauverfahren halten. (Foto: REUTERS)

Bereits wenige Minuten nach Beginn des Verfahrens legten die beiden Pflichtverteidiger am Montag ihr Mandat nieder. Ihre Anträge auf Verschiebung des Prozesses, damit sie sich besser darauf vorbereiten könnten, waren vom Gericht abgelehnt worden. Mit ihrem Schritt protestierten die Anwälte gegen die Aburteilung des Ex-Präsidenten durch eine "summarische Justiz". Eine "historische Gelegenheit" zur Herstellung der Gerechtigkeit werde versäumt, wenn die Rechte der Verteidigung nicht gewahrt würden, beklagte Abdessatar Messaoudi, einer der Verteidiger. "Kann sich irgend jemand vorstellen, dass der allmächtige Präsident zwei Kilo von minderwertigem Haschisch aufbewahren würde, um es zu verkaufen?" fragte vor Gericht der zweite Anwalt, Hosni Beji. Die gefundenen Waffen seien Geschenke ausländischer Würdenträger gewesen, unter ihnen vom algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika und dem saudi-arabischen Innenminister Prinz Naief. Eine Anklage, die von Besitz, Verkauf, Konsum, Import und Export von Drogen spreche, sei "vernunftwidrig", so die Anwälte.

Ben Ali selbst hatte seine erste Verurteilung in einer Erklärung aus dem saudischen Exil als "Justizkomödie" und als "politische Hinrichtung" bezeichnet. Tunesiens Menschenrechtsliga begrüßte hingegen den Spruch, kritisierte indessen, dass das Revolutionsregime nicht genug Anstrengungen mache, um die Auslieferung Ben Alis aus Saudi-Arabien zu erreichen. Anhand des Materials, das den Anklägern vorliegt, sind noch 182 weitere Verfahren gegen den Präsidenten und seine persönliche Umgebung möglich. Dabei könnte es um Folter, Geldwäsche und Verkauf von Altertümern gehen.

Während der Unruhen, die Ben Alis Sturz vorausgingen, kamen 300 Menschen ums Leben. Der zweite Prozess war ursprünglich für 30. Juni angesetzt gewesen, musste jedoch wegen eines Streiks der Richter verschoben werden. Nach einigen Minuten Unterbrechung wegen des Auszugs der Verteidiger aus dem Gerichtssaal wurde die Verhandlung am Montag mit der Verlesung der Anklage durch den Staatsanwalt fortgesetzt. Das Urteil fiel - wie im ersten Prozess - nur kurze Zeit später. Im halbleeren Zuschauerraum wurde einige Male der Ruf "Verschwindet!" laut. Viele Tunesier sind, wie die Verteidigung, der Meinung, dass es sich um einen Schauprozess handele.

© SZ vom 05.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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