Prozess gegen Pegida-Gründer:Die Frage ist: Wie viele Lutz Bachmanns gibt es?

Lesezeit: 2 min

  • Pegida-Gründer Lutz Bachmann steht vor Gericht.
  • Es geht um Kommentare auf seiner Facebook-Seite, die Kriegsflüchtlinge beschimpft haben.
  • Die Verteidigung Bachmanns bringt drei Argumente vor.

Von Cornelius Pollmer, Dresden

Lutz Bachmann ist nicht allein gekommen, er hat seine Frau zum Amtsgericht Dresden mitgebracht, 50 Anhänger - und eine Zahnbürste. Inszenierung gehört zum Kern von Bachmanns Pegida-Bewegung, so ist auch die Bürste zu verstehen. Sie soll sagen: Ich bin bereit zum Widerstand, auch wenn das bedeutet, dass ich mir heute Abend im Knast die Zähne putze und nicht zu Hause. Streng genommen geht es seit Dienstag um eben diese Frage, seit also der Prozess gegen Bachmann wegen Volksverhetzung begonnen hat.

Das öffentliche Interesse an diesem Prozess ist enorm, die Sicherheitsvorkehrungen sind es ebenso, im Gericht wie davor, wo mehrere Demonstrationen angemeldet sind. Bachmann wählt den großen Auftritt, lange vor Verhandlungsbeginn steht er vor dem Eingang und trägt eine schwarze "Zensurbalkenbrille". Als Richter Hans Hlavka später in den mit 100 Personen gefüllten Saal kommt, nimmt Bachmann sie ab.

Freie Sicht also auf den Staatsanwalt, der dem 43-Jährigen vorwirft, "in mehreren Kommentaren auf einer öffentlich zugänglichen Facebook-Seite Kriegsflüchtlinge unter anderem als ,Gelumpe', ,Dreckspack' und ,Viehzeug' beschimpft" zu haben. Bachmann muss sich zum wiederholten Mal juristisch verantworten, er stand bereits etwa wegen Diebstahls und Handels mit Kokain vor Gericht. Seine Bewährungszeit endete im Herbst vorigen Jahres.

Drei Verhandlungstage sind zur Klärung der neuen Vorwürfe angesetzt, der erste bringt nicht allzu viel Erkenntnis. Grob sichtbar aber wird zumindest die Linie der Verteidigung, welche die zähe Strafrechtlerin Katja Reichel übernommen hat.

Die drei Argumente der Verteidigung

Reichel erörtert drei Argumente. "Unabhängig davon, dass die Posts nicht von Herrn Bachmann erstellt worden sind . . .", beginnt sie einen Satz. Einen anderen schließt sie mit: ". . . Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der auch abwegige Meinungen von Artikel 5 Grundgesetz gedeckt sind." Soll heißen: Bachmann war's nicht, erstens. Zweitens: Wenn er es gewesen wäre, erfüllten die beanstandeten Kommentare nicht den Tatbestand der Volksverhetzung, siehe Meinungsfreiheit, und so richtig öffentlich sei das alles ja auch nicht gewesen.

Reichels drittes Argument bezieht sich wesentlich auf die Berichterstattung im Vorfeld des Verfahrens. Ihr Mandant sei durch viele Artikel vorverurteilt worden - nun ein faires Verfahren zu erwarten, das setze "eine Weltfremdheit voraus", an der es ihm und ihr fehle. Reichel beantragt die Einstellung des Verfahrens. Und wenn man schon verhandeln muss, dann bitte unter Einbeziehung von Gutachtern, um zu prüfen, ob die Kommentare echt und von Lutz Bachmann selbst formuliert worden sind.

Wie findet man das heraus? Bachmann soll die Einträge im September 2014 gepostet haben, im Januar 2015 wurden sie bekannt. Zurück geht diese Veröffentlichung auf Susanne K., die über ihre Mutter Screenshots an eine Zeitung gegeben hatte. Reichel versucht am Dienstag, die Glaubwürdigkeit K.s mit eher technischen Fragen anzugreifen, zudem wird auf ihren Antrag hin ein Dresdner Journalist von der Verhandlung ausgeschlossen. Er soll die Screenshots über K.s Mutter empfangen und der Staatsanwaltschaft übermittelt haben, nun wird er als Zeuge geladen.

Immer wieder strapaziert Reichel die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit das im September 2014 handelnde Facebook-Subjekt "Lutz Bachmann" der realen Person Lutz Bachmann entsprochen habe. Es gebe 140 Facebook-Nutzer selben Namens, führt sie an. K., auf deren Post "Lutz Bachmann" die beanstandeten Kommentare platziert hatte, reagiert: Auf der Seite "ihres" Bachmanns hätten sich auch private Hochzeits- und Urlaubsbilder befunden, das sei eindeutig.

© SZ vom 20.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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