Proteste gegen Militärrat:Ägyptens Wunde blutet

Wieder steigen Rauchwolken auf über dem Tahrir. Ägyptens politisches Schlachtfeld ist ein Platz wie eine Wunde. Dabei ist nicht erstaunlich, dass es zu den brutalen Zusammenstößen gekommen ist, sondern dass es erst jetzt dazu kam, nach der zweiten Runde der Parlamentswahlen. Armee und Regierung geben sich als Hüter der Revolution. In Wahrheit wollen sie den Platz räumen. Ein für allemal.

Sonja Zekri

Wieder ziehen Rauchwolken über den Tahrir-Platz. Wieder ist der Asphalt aufgerissen und die Steine fliegen. Soldaten reißen verschleierten Frauen die Kleider herunter. Junge Männer, blutüberströmt, werden fortgeschleppt, ein islamischer Geistlicher stirbt. Der Tahrir, Ägyptens politisches Schlachtfeld: ein Platz wie eine Wunde.

Dieses Bild empört Ägypten, Zeitungen drucken es auf ihren Titel: Soldaten schlagen eine Frau auf dem Tahir-Platz und reißen ihr dabei die Kleider vom Leib. (Foto: AP)

Dabei ist nicht erstaunlich, dass es zu den brutalen Zusammenstößen gekommen ist, sondern dass es erst jetzt dazu kam, nach der zweiten Runde der Parlamentswahlen. Millionenfach waren die Ägypter zur Abstimmung geströmt, für viele war es die erste einigermaßen freie und faire in ihrem Leben.

Die herrschenden Generäle aber verbuchten jede Stimme - und wenn sie auch nur die verzweifelte Hoffnung auf Ruhe verriet - für sich: für ihr Versprechen von Stabilität, das Kritik nicht vorsieht; für ihre politischen Winkelzüge mit zweckfreien Beratergremien und machtlosen Regierungen, die viele Ägypter nur aus reiner Erschöpfung hinnehmen; für eine politische Sonderrolle der Armee und die Schonung ihres obskur zusammengetragenen Wirtschaftsimperiums. Wochenlang haben sie gegen die Aktivisten gehetzt. Nun meinten sie die Mehrheit auf ihrer Seite - gegen den Platz.

Wie beim letzten Mal kurz vor den Wahlen war der Protest längst zusammengeschmolzen auf eine Handvoll Hartgesottener, die den Regierungssitz in der Nähe des Tahrir-Platzes blockierten. Anders als beim letzten Mal fiel diesmal nicht die Polizei, sondern die Armee über die Demonstranten her. Aber wieder gab es Tote, während sich Armee und Regierung als Hüter der Revolution geben. In Wahrheit wollen sie den Platz räumen. Ein für allemal.

© SZ vom 19.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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