Proteste in Ägypten:Sicherheitskräfte prügeln wieder auf Demonstranten ein

Alter Schauplatz, neuer Aufstand: Auf dem Tahrir-Platz im Zentrum Kairos demonstrieren wieder Tausende gegen die ägyptische Regierung - und die schlägt mit Gewalt zurück. Seit Freitag wurden bei den Straßenschlachten mindestens zehn Menschen getötet und mehr als 500 verletzt. Es sind die schwersten Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften seit dem Sturz von Präsident Mubarak.

Die Gewalt kehrt auf die Straßen Ägyptens zurück: In der ägyptischen Hauptstadt Kairo haben sich Demonstranten und Sicherheitskräfte auch in der Nacht und am Sonntagmorgen heftige Auseinandersetzungen geliefert.

Einheiten der Militärpolizei hätten sich an der Straße zwischen dem Tahrir-Platz und dem Kabinettsgebäude verbarrikadiert, meldet der arabische Fernsehsender Al-Dschasira am Sonntagmorgen. Ein AFP-Korrespondenten berichtet von Zusammenstößen rund um eine von Soldaten errichtete Betonmauer auf der wichtigsten Zufahrtstraße zum Tahrir-Platz.

Am Samstag war es den zweiten Tag in Folge zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen. Soldaten mit Schlagstöcken hatten den Tahrir-Platz im Zentrum der ägyptischen Hauptstadt gestürmt, auf Demonstranten eingeschlagen und deren Zelte in Brand gesetzt.

Es sind die schwersten Zusammenstöße seit dem Ausbruch des Volksaufstandes, der im Februar zum Sturz von Präsident Husni Mubarak führte. Seit Freitag wurden bei den Straßenschlachten nach Angaben der Regierung zehn Menschen getötet und mehr als 440 verletzt. Unter den Toten war auch der hohe Geistliche Emad Effat. Seine Ehefrau sagte der Nachrichtenagentur Reuters, er sei erschossen worden.

Die französische Regierung sprach von einem "exzessiven Gewalteinsatz" gegen die Demonstranten. Viele Demonstranten flohen vor den Soldaten in Seitenstraßen des Platzes. Die Sicherheitskräfte schlugen auch weiter auf Menschen ein, die bereits am Boden lagen. Warnschüsse waren zu hören. Auf Aufnahmen von Reuters-TV war zu sehen, wie ein Soldat eine Pistole zog und in die Menge schoss.

Die New York Times berichtet von einem Vorfall, bei dem Soldaten eine Frau auf dem Tahir-Platz schlugen und ihr dabei die Kleider vom Leib rissen.

Bei einem Brand in einem angrenzenden Gebäude wurde ein Archiv zerstört. In den Gebäude befanden sich 200 Jahre alte Dokumente. Ein Militärvertreter sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Mena, das Feuer sei durch Brandsätze ausgelöst worden.

Die Sicherheitskräfte seien dann gegen Verbrecher vorgegangen, nicht gegen Demonstranten. Nach Regierungsangaben wurden 30 Wachen vor dem Parlament verletzt.

Löste ein Fußball die neue Gewaltwelle aus?

Über den Auslöser der Gewalt gab es widersprüchliche Angaben. Der von der Armee eingesetzte Ministerpräsident Kamal al-Gansuri machte Jugendliche unter den Demonstranten verantwortlich. "Auf der Straße findet keine Revolution statt, sondern ein Angriff auf die Revolution", sagte er.

In staatlichen Medien hieß es, ein junger Mann sei auf das Gelände des Parlaments gegangen, um einen Fußball zurückzuholen. Dort sei er von der Polizei und Wachleuten geschlagen worden. Anderen Darstellungen zufolge wollte der Mann dagegen sein Lager dort aufschlagen und löste dadurch Handgemenge mit den Sicherheitskräften aus.

In Ägypten finden derzeit die ersten freien Parlamentswahlen statt, die den Übergang zu einer Zivilregierung ebnen sollen. Die Abstimmung in mehreren Runden soll im Januar abgeschlossen werden. Für Juni sind Präsidentschaftswahlen geplant. Seit dem Sturz Mubaraks regiert ein Militärrat das Land. Die Proteste richten sich vor allem gegen dessen Macht. Die Demonstranten vor dem Kabinettsgebäude hatten verhindern wollen, dass die vom Militärrat eingesetzte Übergangsregierung von Ministerpräsident Kamal al-Gansuri dort die Arbeit aufnimmt.

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